Uladsimir Karatkewitsch

Uladsimir Karatkewitsch (bel. Уладзімір Караткевіч; russ. Владимир Короткевич) (geb. am 26. November 130 in Orscha; gest. am 25.Juli 1984 in Minsk) war ein bekannter belarussischer Schriftsteller, Dichter und Übersetzer sowie Preisträger mehrerer staatlicher Literaturpreise.

Uladsimir Karatkewitsch wurde in Orscha als Sohn eines Beamten und einer Lehrerin geboren. Während des Zweiten Weltkriegs hatte die Familie keinen festen Wohnsitz, sie wurde nach Perm, später nach Orenburg evakuiert, weitere Aufenthaltsorte waren Moskau, Rjasan, der Ural und Kiew. 1944 kehrte er nach Orscha zurück, wo er von 1944 bis 1949 die Mittelschule besuchte. Dort arbeitete er an Schulzeitungen und schulischen Theaterinszenierungen mit. 1949-54 studierte er Russistik in Kiew, wo er eine Liebe zur Ukraine und zum ukrainischen Volk entwickelte und auf Grund des „ukrainischen Nationalismus“ beinahe zwangsexmatrikuliert worden wäre. Ab 1951 erschienen seine ersten Gedichte in Lokalzeitungen in Orscha und eine erste Version der Novelle „Dsikaje paljawanne karalja Stacha“ (König Stachs wilde Jagd). 1952 schickte er ein Heft mit Brief an Jakub Kolas „Kaski i lehendy majoj radsimy“ (Märchen und Sagen meiner Heimat), welches er später teilweise überarbeitete und veröffentlichte. Seine Diplomarbeit 1954 trug den Titel „Kaska. Legenda. Padanne“ (Märchen. Legende. Sage). Eine Dissertation und somit eine wissenschaftliche Laufbahn blieb ihm verwehrt. Nach dem Studium ging er mehrere Jahre einer Lehrtätigkeit nach, zunächst in der Nähe von Kiew (1954-56), später in seiner Heimatstadt Orscha (1956-58). Den Durchbruch schaffte Karatkewitsch 1955 mit dem Gedicht „Mascheka“. Ab 1955 stand er in Briefkontakt mit dem Schriftsteller Maksim Tank. 1957 trat er dem Schriftstellerverband der BSSR bei. Sein erstes Drama „Mlyn na sinich virach“ (Mühle auf blauen Strudeln) feierte Premiere. 1958-60 besuchte Karatkewitsch Literaturkurse, 1960-62 Drehbuchkurse in Moskau. 1963 zog er nach Minsk um. 1967 lernte er Waljanzina Nikizina kennen, die er 1971 heiratete. 1979 nahm er an der internationalen Ionesco-Konferenz zum Thema „Slawische Kulturen“ in Kiew teil.

Uladsimir Karatkewitsch verfasste epische Texte (Erzählungen, Novellen, Romane sowie Märchen und Sagen), Gedichte, Dramen, Essays, Aufsätze und  ging der Übersetzertätigkeit nach. Der Veröffentlichung seines Gedichtes in der Orschaer Regionalzeitung Leninski Prysyu (1951) folgte 1955 sein Durchbruch als Lyriker mit dem Gedicht Mascheka in der Literaturzeitschrift Polymja. Es folgten drei Gedichtbände. Ab den 1960er Jahren verfasste er vor allem epische Werke (Romane, Novellen, Erzählungen). Zu seinen beliebtesten Werken zählen der Roman Tschorny samak Alschanski (Das schwarze Schloss von Alschany, 1979) sowie die auch ins Deutsche übersetzte Novelle Dsikaje paljawanne Karalja Stacha (Die wilde Jagd des König Stach, 1964). Diese beiden Werke sind im Stil eines Kriminalromans mit historischem Hintergrund geschrieben.

Uladsimir Karatkewitsch, der sich bereits als Kind sehr für die Geschichte und Folklore des belarussischen Volkes interessierte, gilt als Begründer des historischen Romans in der belarussischen Nationalliteratur. In seinen Texten behandelt er vor allem historische Themen und beschreibt ethnologische Besonderheiten und Realien aus dem Leben der Belarussen (Sitten und Bräuche, Feierlichkeiten, Lokalkolorit, Natur usw., sehr ausführliche Beschreibungen von Regionen und Landschaften).

Viel Raum nimmt bei ihm die Geschichte des litauisch-belarussischen Aufstandes von 1863/64 unter der Führung von Kastus Kalinouski ein, ein Stoff, der in gleich mehreren Genres verarbeitet wird. Als sein Hauptwerk gilt der bisher nicht ins Deutsche übersetzte zweibändige Roman „Kalasy pad sjarpom twaim“ (Ähren unter deinen Sicheln), in dem er den Aufstand von 1863/64 gegen die zaristische Alleinherrschaft aus belarussischer Sicht beschreibt. Im Mittelpunkt des Romans steht der Adeligensohn Ales Sahorski, der, einer alten Tradition seines Geschlechtes entsprechend, die ersten Jahre seines Lebens bei einer Familie von leibeigenen Bauern aufgewachsen ist und dort, bei vermeintlich „einfachen“ Leuten, das Leben und die Freiheit schätzen gelernt hat. Der Protagonist setzt sich von nun an für die Freiheit der Bauern ein und schließt sich im Alter von 18 Jahren dem Revolutionär Kastus Kalinouski an, der hier nicht als historische Person, sondern als Figur eines literarischen Kunstwerkes in Erscheinung tritt. In der Novelle Sbroja (Die Waffe, vermutlich 1964) wird die Romanhandlung mit der Geschichte von einer Waffenbeschaffung für den Kampf gegen die Machthaber fortgesetzt, wobei sich der Roman und die Novelle auch unabhängig voneinander lesen lassen. Im Mittelpunkt des Dramas Kastus Kalinouski (1963) steht der Freiheitskämpfer selber.

Historische Themen dominieren im Gesamtwerk des Schriftstellers. Dies gilt auch für viele Gedichte sowie Prosatexte, darunter auch einige Märchen, in denen er die Vergangenheit des belarussischen Volkes thematisiert und auf Bilder und Motive aus der belarussischen Folklore zurückgreift. Neben dem Aufstand von 1863/64 ist dies der Zweite Weltkrieg, wie in der Novelle Lisze kaschtanau (Kastanienlaub, 1973), deren Handlung im umkämpften und fast entvölkerten Kiew des Jahres 1944 angesiedelt ist und in der eine Gruppe Kinder unterschiedlicher sozialer und nationaler Herkunft am Wahnsinn des andauernden Krieges zugrunde geht. Der Roman Nelha sabyz (Man darf nicht vergessen, 1982) spielt zwar 20 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, doch wird der Protagoinist, der sich in eine verheiratete Frau verliebt, nicht nur durch die jüngste Vergangenheit eingeholt, denn die Geliebte stirbt an den Spätfolgen einer Kriegsverletzung, sondern seine eigenen familiären Wurzeln gehen bis auf den litauischen Aufstand zurück. Das ist ein Roman nicht nur gegen das historische Vergessen, sondern auch gegen das Verdrängen der historischen Vergangenheit und seiner eigenen Herkunft und gleichermaßen ein Plädoyer für eine angemessene Erinnerungskultur.

Das Gesamtwerk Karatkewitschs stellt ein dichtes Netz aus einer bildreichen Sprache und historischer Präzision dar.

Personal Data

Herr Uladsimir Karatkewitsch
City: Minsk
Activity: Schriftsteller, Übersetzer
Phone Number:
Mobile Phone:
Fax:
Email:
Born in: 26. November 1930
Place of Birth: Orscha
Died in: 25. Juli 1984
Place of death: Minsk
Country: Belarus