Nationalismus und Krieg

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Publisher: DomL
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Publication Date: 3. Feber 2015
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Country: Croatia
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Einleitung

Dieser Vortrag wird versuchen, auf das grundlegende Verständnis des letzten Krieges auf dem Gebiet Kroatiens zu verweisen (hinzuweisen). Indem er sich diese Aufgabe stellt, wird er mit der Auffassung (Interpretation) der hauptsächlichen Ereignisse des Krieges und der Nachkriegszeit polemisieren, mit der Rolle des Krieges bei der Konsolidierung der (kroatischen) Nation und der Rolle der Nation in der nachträglichen Ablehnung der Anerkennung konkreter Verbrechen, die während des Krieges geschahen. Unter-Themen dieses komplexen Vortrages schließen die Anmerkung (Bezeichnung) der Analyse der Kultur der Erinnerung ein und die Öffnung der Frage nach der funktionalen Verwendung des Nationalismus als politisches Instrument.

Vorläufig werden wir das Verhältnis von Nation und Nationalismus auf diesem Territorium definieren (bestimmen) und unsere Identitätswechsel [razmijevanja identiteta] im Verhältnis zur klassischen Interpretation bestimmen. Danach werden wir mit Rücksicht auf das Verhältnis zur Identität die Kriege definieren. Das Schlüsselstück des ersten Teils der Darlegung entsteht aus diesem abgeleiteten Analysieren der Rolle der Nation in der Erschaffung des Krieges und der Rolle des Krieges im Kreieren der Nation. Der zweite Teil der Deutung befasst sich mit dem Nachkriegsverständnis und schließt die Diskussion über die Fortsetzung des Krieges nach dem Krieg (durch den öffentlichen Diskurs auf der symbolischen Ebene [dem symbolischen Niveau] und durch politische Aktionen der Diskriminierung der Minderheiten durch eines der letzten Referenden im Staat) ein; ein Bindestrich zu den Methoden der Revision der Geschichte und der Vernichtung der Erinnerungskultur und das Überlegen über die Verwendung des nationalistischen Diskurses zum Zwecke der Homogenisierung der Gesellschaft, der Realisierung politischer Punkte und der Marginalisierung der konkreten Gegenwartsprobleme der kroatischen Gesellschaft. Am Ende beziffern wir eine endgültiges Überlegen und eine Kette von Problemen, welche trotz ihrer Relevanz nicht in diesem zeitlich begrenzten Vortrag berührt werden kann, aber in der folgenden Diskussion durchaus berührt werden kann.

 

 

 

 

i. im Krieg

i.i. Nation und Nationalismus

Die Pflicht einer vorläufigen Bestimmung der Nation - wie lange schien dieser Begriff selbstverständlich zu sein – ist keineswegs leicht. Es gibt eine ganze Reihe von Theorien der Nation, unter denen speziell allgemein gesprochen der ideologisch nationale Zugang und weiter gefasst der marxistische Zugang zum Konzept der Nation, deren Basisexplikation wir in den Frühschriften von Karl Marx finden, speziell verbreitet ist (se posebno ističu). Die Grundidee des ersten Zugangs ist, dass alle Menschen in Gruppen geteilt sind, die Nationen genannt werden, während die Grundthese des zweiten (denn er geht mit einem Schlag von der Analyse der Entstehung der Nation aus mittelalterlichen Ständezeichen wie natio croatica, natio hungarica, usw. welche nicht die Bevölkerung einschließen, sondern auch den Adel ausschließt) die Irrelevanz der Nation für die Lösung der Frage des zeitgenössischen Arbeitermenschen. Der erste Zugang beschäftigt sich im gewissen Maße mit dem Erfinden (Auffinden) [iznalaženje] der Kriterien und Elemente der Nationalität, während sich der andere mit ihrer Kritik beschäftigt.

Das Verständnis der Nation, das uns interessiert, ist das von Benedict Anderson, Professor für Politologie und Geschichtswissenschaft an der Cornell University. Nach seinen Worten ist die Nation eine erdachte Gemeinschaft, während ihre Entstehung eine Imitation (imitierende Aktion) ist. Das heißt, Anderson meint, dass der Prozess des „nation building“ nur eine Imitation der Prozesse ist, deren Zeugen wir in Amerika und in der Französischen Revolution sind. Dabei unterscheidet er einen bürgerlichen Nationalismus zu Anfang von einem ethnischen Nationalismus in der zweiten Welle. Unter dem bürgerlichen Nationalismus ist eine Form des Nationalismus zu verstehen, die mit den Ideen der Freiheit, Toleranz, Gleichheit und Recht kompatibel ist und gewissermaßen (im großen Maße) seine Grundlegung in der Französischen Revoltion findet. Dieser Typ des Nationalismus akzentuiert die Bedeutung der bürgerlichen Partizipation und steht im Gegensatz zum ethnischen Nationalismus.

 

Andererseits definiert der ethnische Nationalismus die Nation in Begriffen der ethnischen Zugehörigkeit, die sich in der Regel auf traditionelle Werte (Glaube, Glaubenssystem) und das Erbe (Blut, Kultur, Sprache, Schrift) beruft und was sich nicht selten gegenseitig ausschließt.

Die Verschiedenheit zwischen den zwei Typen des Nationalismus wird am häufigsten als kulturologischer Unterschied berücksichtigt (betrachtet), wie im Fall Kohns, der den westlichen bürgerlichen Nationalismus und den östlichen ethnischen Nationalismus (wiewohl dies strenggenommen eine problematische Distinktion ist, weil wir sowohl einen östlichen bürgerlichen Nationalismus als auch einen westlichen ethnischen finden, wie in Irland) unterscheidet. Aber die Verschiedenheit muss man auch aus dem Blick der Unterscheidung der Bedingungen des Enstehens der Nation bedenken (betrachten). Solcherart ist der bürgerliche Nationalismus nicht nur Staaten prägnant gemischter Bevölkerung näher als Staaten, die die Wiederherstellung der Nation auf dem territorialen Prinzip untermauern, während der ethnische Nationalismus mit seiner Hervorhebung der sprachlichen, kulturellen und anderen Eigenheiten für die jugoslawischen und andere in einer größeren Gemeinschaft wie der Habsburger Monarchie eingeschlossen waren charakteristisch, welche nur auf der sprachlichen Grundlage ihre existentielle Vielartigkeit untermauern konnten und das daraus folgende Recht auf rechtwissenschaftliche Eigenheit, respektive mit anderen Worten: das Recht auf Selbstbestimmung und Abspaltung [odcjepljenje].

Natürlich, die Kroatische Nation gründete sich auf der ethnischen Grundlage und dieses Schlagwort (natio verstanden als ius sanguinis, als Blutrecht) bleibt in der Bestimmung jenes „Kroate-Sein“ bis heute ganz dominant. Dennoch existieren zwei bemerkenswerte Abschnitte der Entwicklung des Einflusses des bürgerlichen Nationalismus: von 1971 bis 1981 und nach dem Heimatkrieg. Im ersten Fall ist die Rede von einer klaren Erhöhung der Anzahl von Personen, die sich als Jugoslawen bezeichnen (zirka 8% Sekulić), während im zweiten Fall die Rede von einem bedeutenden Anteil von Personen, die sich in der Weltweiten Untersuchung der Werte von 1995 primär als Bürger und dann erst als Angehörige einer bestimmten ethnischen Gruppe bezeichneten. Dabei ist interessant, dass die Mehrheit einen solchen Status als Angehörige einer Minderheit in Wirklichkeit hatten (primär Serben), woraus sich einerseits die Frage nach einem möglichen geringerem Einfluß der ethnischen Identität auf die Minderheit ergibt, und andererseits die Frage nach den Bedinungen und der historischen Situation, in der die Angehörigen der Minderheit ihre eigene Identität erklären. Wenn es auch nicht gerechtfertig ist, was auch immer für pauschale Schlüsse ohne Analyse zu ziehen, ist es nicht ungerechtfertigt anzunehmen, dass dabei der situative Faktor ebenso eine Rolle spielt. In diesem Sinne werden auch häufig die Identifikationen mit Staatsangehörigkeiten interpretiert, die nicht mehr existieren, besonders mit Jugoslawien, was der Ausdruck der Ablehnung der Beschränkung durch ethnische Ettikette und ein eigenartiger Protest gegen den Inhalt ist, den diese Ettikette erfüllten. Natürlich besteht auch die andere Möglichkeit des Abrückens (Vorsprungs) vom ethnischen Nationalismus durch die Fortsetzung der Selbstidentifikation als Kroate, aber im bürgerlichen Sinne, wovon in Kroatien heute die Rede sein könnte, denn wir verzeichnen einen totalen Abfall der Anzahl von Personen, die sich als Jugoslawen bezeichnen (Die Zahl der Jugoslawen betrug 1981 404847, während sich 1991 106014 Bürger so nannten und endlich 2001 finden wir bei der Volkszählung nur 127, respektive 2010 337 Jugoslawen).

 

i.ii. IDENTITäT

           

Diese Frage der Identität zeigt sich als einer der Hauptindikatoren der Formierung und Argumentation des Getrenntseins (K.), aber auch als Schlüsselfaktor in der Bestimmung der augenblicklichen politischen und gesellschaftlichen Prozessen. Die Selbstidentifizierung illustriert und bedingt die politische und gesellschaftliche Weltanschauung der Person mit. Deswegen hat die Identität eine Schlüsselrolle im öffentlichen Diskurs, wo „[…] sie als nicht infrage gestellter Kanon oder als Konjunkturfüllwort genutzt wird, als rationale Bedeutungsverbindung oder als Zufluchtsort für rhetorische Anpassung durch postulierte Bedeutungen.“ (Kalanj)

 

Die Grunddifferenz in der gegenwärtigen Theorie der Identität besteht, neben Huntingtons Annahme, dass alle Identitäten ausnahmslos konstruiert seien, zwischen den modernen und den postmodernen Auffassungen. Während die ersten die „Bedeutung der Strukturen (der klassischen, patriarchalen), die gesellschaftlichen Polarisierungen (reich und arm), die formgebende (schöpferische) Originalität der Klasse und des Geschlechts betonen, die proportionale gesellschaftliche Vorhersehbarkeit und Ordnung, die materiellen Quellen der Macht und die Kontrolle über die Ressourcen; betonen die postmodernen Zugänge die Bedeutung der Auswahl und die Tatsache der gesellschaftlichen und Identitätsfragmentierung (..), sie meinen dass es Klassen nicht gibt und dass immer ausdrücklicher diesen Platz ‚die Rasse‘, Ethnizität, Nationalität, Kultur und Religion einnimmt.“ (K.f.)

 

Mit Ausnahme dieser Universalteilungen der Identitäten, des Differenzierens können wir mit Rücksicht auf eine größere Zahl  Eigenschaften einführen, aber vorhergehend ist es notwendig, sich dem hergebrachten Verständnis von Identität zuzuwenden.  Der klassischen Auffassung zufolge unterscheiden wir die kommunitaristische und die liberale Auffassung von Identität. Die liberale Auffassung betont den Individualismus und meidet sozusagen [kloni se bilo] irgendeine werthaltige [vrijedonosni] Rede vom Leben und befürwortet eine absolute Neutralität des Staates, irgendein Einmischen in das Wertesystem des Einzelnen verbietend (Bell, K.)  Natürlich existieren in Übereinstimmung mit den Differenzen in den liberalen politischen Theorien auch Unterschiede im Verständnis dieser Neutralität.  So existiert beispielsweise Rawls Standpunkt zufolge die Möglichkeit und Verpflichtung der Intervention [invervencije], dass die bürgerlichen und politischen Freiheiten und die ökonomischen Rechte geschützt werden, doch existiert keine moralische, sogenannte [takoreći] humanistische Komponente der Entwicklung (des Geistes) der Gemeinsamkeit.

Das Problem dieser Haltung des Vorrückens [nastup] entsteht im Augenblick, wenn  nicht nur die Werte der Gemeinsamkeit substrahiert werden, sondern auch wenn im Sinne des absoluten Atomismus die sachliche Rolle des Kollektivs bei der Bildung der atomaren Identität negiert oder vernachlässigt wird. Über die liberale Auffassung der Identität können wir so in vorgeschriebenen (bestimmten) [određenim] postmodernen Gesellschaften wie der USA reden, aber nicht auf dem Tätigkeitsfeld [područje] Südosteuropas, welches noch immer in vielem durch kollektive, traditionelle und ethnische Identitäten bedingt ist.

Andererseits erkennt die kommunitaristische Gesinnung die Rolle der Gemeinschaft als Determinanten des individuellen Entwurfes der Person an. Freilich ist der Kommunitarismus nicht im Sinne einer absoluten Zusammenführung von Person und Kollektiv  radikal (wie bei Chaplins mechanischem Verständnis des Menschen ohne Substanz), erkennt er doch seine Rolle in der sozialen, kulturellen, ideologischen und Interessensidentifikationen des Subjektes an. Dabei können wir auch überdies [više] verschiedene Ansichten unterscheiden, die Denkart (das Verständnis) von Robert Booth Fowler und Daniel A. Bell.  Nach Fowler gibt es drei Arten von Gemeinschaft (die Gemeinschaft der Idee, die Gemeinschaft der Krise, die Gemeinschaft der Erinnerung), nach denen der Einzelne aus verschiedenen Gründen strebt (er wünscht die Rückkehr in das Wertesystem oder er wünscht die allgemeine Wende). Nach Bell gibt es auch drei elementare Gemeinschaften  (die Gemeinschaft der Erinnerung, die Gemeinschaft des Ortes und die psychologische Gemeinschaft), nach denen nicht gestrebt wird, denn sie stellen elementare Konstituensen [konstituense] im Entwerfen der persönlichen Identität des Individuums dar. Diejenige, welche uns besonders interessiert, ist die Gemeinschaft der Erinnerung, welche sukzessive in der zum Ausdruck gebrachten Fassung (Gestalt) als Nation erscheint und welche mit der Fowlerschen Gemeinschaft der Idee korrespondiert.

Die zweite Gemeinschaft, die uns interessiert, ist die psychologische Gemeinschaft. Sie stellt eine Gruppe dar, die sich an den gemeinsamen Arbeiten beteiligt und dasselbe gemeinsame Ziel hat. Solche Gemeinschaften gründen sich auf Altruismus, Kooperation und Zutrauen, und eine Charakteristik von ihnen ist die persönliche Identifizierung mit gemeinsamen Zielen. Obwohl sich üblicherweise diese Gemeinschaften mit zivilen Bündnissen und Werksgemeinschaften verbinden, glauben wir, dass geradewegs die Gemeinschaft des Krieges ihr Musterbeispiel ist.

Denn die Gemeinschaft der Nation im Krieg können wir einerseits mit den Gemeinschaften der Erinnerung verbinden, andererseits mit den psychologischen Gemeinschaften: sie ist elementar für die gemeinsame Erinnerung und für die gemeinsame Kultur, da die Rede  von der Nation des dominanten Typs des ethnischen Nationalismus ist, während sie gleichzeitig auch durch die gemeinsame psychologische Erfahrung und durch die Identifikation mit einem gemeinsamen Ziel, welches eschatologisch die Vollendung der Nation in der Realisierung des nationalen Staates ist, gefestigt ist.

Evident ist die kroatische Identität überhaupt, aber auch im Krieg, nachdrücklich kommunitaristisch. Aber gleichzeitig ist sie eine Reaktion auf die frühere gewaltsame kollektive Identität des sozialistischen Jugoslawiens, aber sie befindet sich gewissermaßen in einer Konfliktsituation: obgleich sie kommunitär [komunitaran] ist, ist sie ausdrücklich antikollektivistisch und stellt sich [uspostavlja se] in eine ständige Dichotomie des Verweigerns und der Annahme unterschiedlicher Gestalten derselben Charakteristiken, wie im Falle des Verweigerns der neoliberalen Ökonomie und der Nichtannahme der sozialistischen Wirtschaft, das Verweigern der regionalen Balkanidentität und die Annahme der europäischen übernationalen Identität. Grundlegende Charakteristiken sind dabei in grundlegenden [izkazi] von Identitätsbestimmungen [identitetske određenosti] gegründet: in kulturell-essentialistischem, politisch-differenzialistischem  und expressiv-designerischem [dizajnerski]. Auf kulturell essentialistischem Niveau dehnt sich die Besonderheit der kroatischen Sprache und Kultur aus, auf dem politisch direferrentialistischem ist das historische Recht des kroatischen Volkes auf mittelalterlichen Dokumenten gegründet  und schließlich auf dem expressiv designerischem entsteht ein einseitiges, aber reiches lokalmarketinghaftes Bild der Nation, welches historische Persönlichkeiten, verschiedene [raznorazne] symbolische Elemente, Erinnerungen an historische Ereignisse und an historische Aufgaben des Volkes einschließt, zu dem Zweck einer kommunitaristischen Befestigung [učvršćivanja] der inneren Gemeinsamkeit und des Instandhaltens eines hohen Zustandes des Bewusstseins der ethnischen Identität.

 

Außerdem ist die theoretische Definition des Kerns der Identität in der angegebenen Dichotomie des Liberalen und des Kommunitaristischen, das was auf die Identität im Falle der postjugoslawischen Länder angewendet werden kann, insbesondere auf Kroatien, das Situationskonzept der Identität als Erklärung des Übergangs von einer nationalen zu einer übernationalen oder (staats)bürgerlichen Identität in den oben erwähnten Untersuchungen. Aber auch weiterhin ist die ethnische Identität zweifellos dominant.

 

i.iii. Arten des Krieges in Hinsicht auf die Identät

Wir haben oben schon über die Identität der Nation im Krieg gesprochen – aber obgleich das Sytagma klar und selbstverständlich scheint, ist es notwendig zu sehen, wo sich die Besonderheit dieses Krieges gegenüber anderen Kriegen oder anderen Formen der offenen Konflikte versteckt.

Entsprechend der klassischen Auffassung teilen wir den Eintritt des Krieges in kataklysmisch, politisch und eschatologisch. Die kataklysmische Ansicht kann in Verbindung mit der pazifistischen Sicht des Krieges als absolute Katastrophe, die durch nichts gerechtfertigt werden kann, gebracht werden. Gründe dafür sind hauptsächlich konsequentialistischer und deontologischer Natur. Die konsequentialistische Theorie  behauptet dass der Preis des Krieges auf jeden Fall hůher als der potentielle Nutzen sein wird, während die deontologische behauptet, dass der Krieg als Akt der Gewalt über den Menschen an sich schlecht ist. Diese Position erkennt die Rolle des Krieges in einer eventuellen Änderung der Gesellschaft, aber sie sieht sie ausschließlich als eine negative und historische Degeneration an. Andererseits betrachtet das politische Verständnis den Krieg als eine Fortsetzung der Politik und ihr Werkzeug [oruđe], das insofern die Verbindung mit der realistischen Ansicht im ethischen Sinne eingeführt werden kann. Endlich sieht die eschatologische Ansicht den Krieg als ein zweckdienliches Geschehen, das zu einem bestimmten historischen Ziel führt, welches in der Mehrheit der Fälle die  absolute Friedensgemeinschaft als Vollendung der Geschichte und das Ende der Konflikte ist. Ein paradoxes Element dabei ist, dass sich die Friedensgemeinschaft auf der Grundlage von Gewalt bildet. [usustavljati se]

Außer dieser Unterscheidung des Zugriffes auf den Krieg, unterscheiden wir den Krieg an sich in Hinsicht auf den erfassten [zahvaćeni] Raum,  die Art der Bewaffnung, das Verhältnis von Stärke und Ziel.

Gegenüber der Geschlossenheit und der Verwirrung dieser Aufteilungen, die im gewissen Grade mehr Merkmale aufnehmen, schlagen wir die angedeutete Unterscheidung des Krieges hinsichtlich der tragfähigen Identität des Kriegsaktes vor.

Die ersten wären so:

  1. Kriege/ Konflikte wegen der Exklusivität und Diskriminierung auf der Grundlage konstruierter konkreter (partieller) Identitäten

 Während die zweiten sind:

  1. Kriege, die eine Funktion der (Wieder)Herstellung und Befestigung konstruierter abstrakter Identität wie der Nation sind

Die ersten sind auf sachlichen sozialen und anderen Unterschieden, die von politischen, ökonomischen und anderen Exklusivitäten begleitet sind, gegründet. Hier können wir die meisten Bürgerkriege, Aufstände und Revolutionen einschließen, die wegen der Exklusivität der Klasse, sozialer, politischer und ökonomischer Ungleichheit und Diskriminierung geführt werden. Identitäten, auf denen sie sich gründen, nennen wir real, denn es geht um die Identität der tatsächlichen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

Diese Kriege entsprechen dem Verständnis des Krieges von Emer de Vattel, der ihn normativ begreift und als Zustand beschreibt, das Recht mit Gewalt einzufordern, was mit dem Krieg als Ausdruck der sozio-ökonomischen Ungleichheit korrespondiert. 

Die anderen (zweiten) Kriege beziehen sich hauptsächlich auf die sogenannten großen Kriege und schließen Konflikte großer Identitäten, Nationen und Staaten, ein. Diese werden nicht wegen der Exklusivität (Ausgrenzung) und Diskriminierung einzelner Gruppen geführt, sondern aus dem Willen zur Macht oder aus imperialistischen Ansprüchen. Diese Kriege entsprechen dem Verständnis von Carl von Clausewitz, der den Krieg als politische Tat der Unterwerfung des anderen durch einen Akt der Gewalt. Im Unterschied zu Vettel betont er nicht den positiven, emanzipativen Charakter, sondern seinen negativen, verknechtenden (versklavenden) Charakter.

 

i. iv. Die Rolle des Krieges in der Bildung der Nation. Eine Lektion aus der Lehre Max Schelers

Das Verstehen des Verhältnisses von Krieg und Nation auf der Grundlage der obigen Unterscheidung der Kriege ist aus zwei Perspektiven möglich. Die eine akzentuiert die positive Rolle des Krieges in der Konsolidierung und  Festigung der Nation, während die andere das Ideal des Friedens betont, den Krieg aber eventuell lediglich als notwendiges Element des Emanzipationskampfes oder der „Befreiung“ akzeptiert (anerkennt). Für den ersten Zustand ist Max Scheler charakteristisch.

Max Scheler gilt zweifellos als einer der bedeutendsten Philosophen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Den stärksten Einfluss hatten seine Werke Der Formalismus in der Ethik und die materielle Werteethik und Die Lage des Menschen im Kosmos. Allein, was weniger bekannt ist, er ist auch der Autor einer Reihe von Texten über den Krieg, die in drei Teilen versammelt sind:  Der Genius des Kriegs und der Deutsche Krieg (1915), Krieg und Aufbau (1916) und Die Ursachen der Deutschenhasses (1919). Schelers Auffassung des Krieges ist in großem Maße  vernachlässigt (oder überdies verschwiegen), zum größten Teil wegen ihres ideologischen Charakters, aber zum Teil auch wegen seiner nicht erfüllten großen Prophezeiung vom deutschen Sieg im Ersten Weltkrieg. Solche Behandlung führte dazu, dass die angeführten Werke bis heute nicht in Weltsprachen übersetzt wurden und nicht dem breiten Lesepublikum zugänglich sind. Weswegen könnte sie uns dazumal als solche relevant sein?

Ihre Wichtigkeit liegt einerseits in der Tatsache, dass sie eines der gelesensten und einflussreichsten Werke im Verlauf des Großen Krieges sind, aber andererseits darin, dass wir  gerade in ihnen den Versuch einer philosophischen Argumentation für diesen Typ des ideologischen großen Krieg, welcher auf nationalen Fundamenten beruht, finden, und welchen wir hier problematisieren. Scheler kann uns also als Indikator des Verstehens des Phänomens der Kriegsauffassung in der gegenwärtigen postjugoslawischen Nachkriegsgesellschaft nützlich sein.

Schelers Theorie des Krieges geht aus seinem ethischen System, dargelegt in dem Werk Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik (1913. -1916), hervor. Also, es entspringt nicht im Rortyschen Sinne (Philosophie als Ideologie)  als Rechtfertigung sozialer Wirklichkeiten [zbiljnosti], sondern eher als ganz von der Wirklichkeit geschiedene metaphysische Forschung, die in der Ethik gegründet ist. Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik (1913. -1916). Der Krieg ist demnach, als Ereignis des menschlichen Lebens, außerhalb des Analysierens des sozialen Kontextes und der historischen Situation gedacht. Anstelle der ökonomischen und sozialen Ursachen und Gründe des Krieges werden die Hegelsche Erhöhung des Geistes und Nietzsches Verwirklichung des Willens zur Macht gesetzt. Obwohl wir nicht von einer rein eschatologischen Position im Sinne der Auffassung des Krieges als Realität, welche ein äußeres Ziel hat, sprechen können, die Idee des Fortschritts ist dennoch beibehalten. Dies ist besonders bei Schelers These vom Krieg als Mittel zur Wiederherstellung der Gemeinschaft der Liebe sichtbar, welches „die Einsamkeit des bürgerlichen Subjektes“ abschafft. Der Krieg ist so keine Stagnation, sondern ein Schritt voran, der Krieg ist die Verwirklichung spritueller Einheit eines neuen Staates, nach der sich auch die Dichter und Denker vor dem Krieg sehnten. Dieser Standpunkt Schelers illustriert gut das, was wir im ideologischen Diskurs „Yugoslav wars on Succession“ resp. „Heimatkrieg“ haben: die Hervorhebung der spirituellen Einheit, die dem Verlangen (der Sehnsucht) der Dichter und Denker im bestimmten Sinne in Tuđmans Diskurs über das Streben des kroatischen Volkes und dem Betonen des Denkers (Kulturträgers) als Legitimationen des Ethnikums (auf der Grundlage kultureller Verschiedenheiten) entsprach.

Gegenüber dem  Individualismus des Friedens, entwickelt der Krieg das Kollektiv, beziehungsweise in Schelers Worten: der Krieg ist eine konstruktive Größe des Prozesses der Vereinigung.

Daher auch die so gut wie religiöse Obligation der Teilnahme am Krieg, die in der ewigen Frage „und wo warst du einundneunzig?“ ausgedrückt wird. Diese Frage, dem Schein nach unerheblich und lächerlich, wird zu einer zentralen Beschäftigung [preokupacijom] eines Teils der Bevölkerung in Kroatien, sogar noch 20 Jahre nach dem Krieg. So passierte es vor kurzem, dass ein betrunkener  Verteidiger, ein Dichter aus Berufung, eine Kellnerin verdrosch, die es ablehnte, ihm ein Getränk auszuschenken, wobei er ausrief „Wo warst du einundneunzig?“ als sei das die letzte mögliche /jamac/ ihrer Legitimität und ihres Rechts. Obwohl sie 1996 geboren ist. Diese Frage, scheinbar banal und unschuldig zeigt die Rolle des Krieges in der Herausbildung, Pflege und Legitimierung des Kollektiven (denn gerade das Wo warst du 1991? bestimmt alles),  das sich am klarsten als Nation zeigt.

Theoretisch führte das Max Scheler mit der These, dass der Krieg nicht nur die Nation rehabilitiert, sondern sie auch erzeugt (gebiert). „Das ist eine Rückkehr zu den kreativen Quellen, aus denen der Staat entstand“, sagt Scheler. Und an einer anderen Stelle: „Die Führung des Krieges ist die gesunde Weise, um der Wahrheit der Nation die Freiheit zu geben“, die sich – fügen wir den Hinweis auf Schelers Prototyp des monumentalen Nationalismus hinzu – in der Unterschiedlichkkeit, bezeihungsweise im blutigen Konflikt mit einer anderen Nation konstruiert. 

Demnach ist die Frage ganz legitim: wenn es keinen  Krieg gibt, gäbe es nach weiter Nationen? Beziehungsweise, braucht die Nation den  Krieg, wenigstens einen imaginären und ideologischen, für die Selbstlegitimation und den Fortbestand? Und schließlich ist die Frage, gibt es überhaupt einen Menschen in einem so gedachten Krieg? Wir haben das Ziel, auf diese Fragen Andeutungen (naznake) einer Antwort in diesem kurzen Vortrag zu  geben.

Schelers Auffassung vom Krieg zieht die These über den Krieg als außermoralische Kategorie zurück, die niemals mit Rücksicht auf die Frage betrachtet werden kann: wer hat ihn begonnen, wer ist der Aggressor und wer ist das Opfer. Indessen werden große Kriege mit der Vision großer, historischer Kulturmissionen betrachtet. (dt. die große, historisch bewährte Kulturidee).

Zur obigen Auffassung des Krieges, der Mensch ist primär in der Funktion der Nation, die als Schicksalsgemeinschaft (Schelers Terminus!) eine Verwirklichung der Idee des Menschen ist. „Nun muss in der Größe des Volkes das Glück des Einzelnen verschwinden“, wird Herbert Marcuse sagen (Kultur und Gesellschaft). Hierdurch läuft die Existenz des Menschen auf die Essenz, die außerhalb seiner selbst ist, hinaus. Nur steckt in der Nation, laut Scheler, der Mensch. Ohne sie ist er nichts, die Nation ist die Essenz des Seins. Dieses Verständnis führt zum entpersönlichten [obezličeni] Denken des Menschen, das für alle kollektivistischen Theorien charakteristisch ist.

Aber obwohl von einer durchwegs ideologisierten, phänomenologischen Auffassung die Rede ist, bleibt die Tatsache, dass sie durchaus richtig auf den homogenisierenden Charakter zeigt, der,  in der Regel  unter einer Nation, sozial das unifiziert und intensiviert, was Scheler die Gemeinschaft der Liebe nennt. Insofern „der Krieg“ faktisch „wahrhaftig die Nation“ als konstruierte, fiktive, kollektive Identität „schafft“, die als Referenzrahmen aller vereinzelten Aktionen und als  Rechtfertigung für alle Handlungen gilt,  die unter ihr und in ihrem Namen getätigt werden, insbesondere in der Kriegszeit.

u pravilu pod nacijom, socijalno unificira i pojačava ono što Scheler naziva zajednicom ljubavi. Utoliko faktički ''rat doista stvara naciju'' kao konstruirani zamišljeni kolektivni identitet koji vrijedi kao referentni okvir svih pojedinačnih akcija i kao opravdanje za sve radnje koje se učine pod njim i u ime njega, napose za vrijeme rata.

Auf diese Weise ist der Krieg nicht nur Ausdruck der kollektiven Identität, sondern die Wirklichkeit und ihr energischer Kreateur (Schöpfer).

 

i. iv. Die Rolle der Nation bei der Herbeiführung (stvaranje) des Krieges und die Legitimierung des Kriegsverbrechens – Lektionen aus der Lektüre Karl Jaspers

Diese Behauptung, dass die Nation als Subjekt einer historischen Mission die sei, die im Volk den Krieg rechtfertigt und im Voraus alle seine Beteiligten rehabilitiert, ist besonders sichtbar in Bezug auf Kriegsverbrechen. Hier können wir einen symptomatischen Fall des Verurteilens (suđenje) von Kriegsverbrechen Lora 2 aufnehmen. Es geht um eine Anklage wegen Misshandlung und durch die Misshandlung verursachten Tod von Kriegsgefangenen im Gefangenenlager Lora, das nach dem Abzug der JVA in einer ehemaligen Kaserne eingerichtet wurde. Der Prozess Lora 1 enthalten Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, Lora 2 läuft immer noch, und dann wird vielleicht einmal, je nach dem Willen der Justiz, der Prozess Lora 3 in Gang gesetzt, der sich mit dem Missbrauch und der Inhaftierung von Soldaten nach dem Krieg und der Operation „Sturm“ beschäftigt - und das sogar ein Jahr nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Jugoslawien und Kroatien. Nach dem Gespräch mit den Demonstranten gegen diesen Prozess Lora 2 zeigte sich [uoči se] ein ungewöhnliches Muster: alle würden unter anderen Umständen die Kriegsverbrechen verurteilen (es geht nicht um diese und solcherlei Gefangenen, es geht nicht um eine spezifische Periode des Kampfes für den kroatischen Staat, usf.) Also, die moralische Immunität erstreckt sich auf spezifische Missionen, im Rahmen derer das Verbrechen und die Tat begangen wurde, denn es geht um Angehörige eines feindlichen Heeres. Um in der Terminologie Jaspers zu sprechen, besteht nach seiner Auffassung von Schuld keine kriminelle Schuld für sie, denn sie wird durch die chaotische  Nivellierung mit der politischen, moralischen und metaphysischen Schuld annulliert. Diese Nivellierung im jedoch umgekehrten Sinne führt zu folgendem: wenn die Nation ein Argument ist, das jede moralische Schuld rechtfertigt, dann ist das Verbrechen in dieser allgemeinen Identifikation, und hauptsächlich an denen ausgeführt, die die metaphysische Rolle der Nation in Frage stellen, absolut gerechtfertigt.

Das Ding [stvar] rätselt [pogađa] Alessandro Portelli, wenn er erklärt, dass „wenn wir erklären, dass die Geschichte „gut“ ist, behaupten wir, dass wir etwas von uns selbst aus verüben“. Ausgerechnet darin liegt das Ding: durch den Verlust der Legitimität des Geschehens verlieren wir uns, und durch seine Legitimierung erlangen wir auch den eigentlichen [vlastito] Sinn. Wenn es nur ein Verbrechen war, ist sein Vollzieher nur ein Verbrecher, der jeder historischen Rechtfertigung entledigt ist. Aber, wenn das Verbrechen unter Zwang geschah oder ein zufälliger Fehler (ein Kollateralopfer) auf dem notwendigen, historischen Weg der Nation war, dann erhält auch der Ausführende [izvršitelj] die Hegelianische Rechtfertigung der historischen Persönlichkeit. Andererseits wenn der Krieg nur Krieg wäre, dann wären alle Verlierer [gubitnici]. Aber, wenn er Ausdruck einer endlichen Befreiung des Volkes nach einer tausendjährigen Untertänigkeit [podređenost] wäre, dann hätten ihre Opfer einen Sinn. Merklich ist das auch in einem Interview des Sozialanthropologen Stefo Jansen mit Ante, einem Kroaten, der in dem Dorf Plavno lebt, einem der Dörfer, die mehrheitlich serbisch waren und während des Krieges in die Republik Serbische Krajina integriert wurden, und das durch den Besitz von Freiheit und Recht - rammen wir die kroatische Fahne in den Boden - sehr schnell und klar seine Vorfälle (događanja), seine Opfer rechtfertigte und jedes Verbrechen annullierte. 

Diese Funktion der Rechtfertigung des Krieges spielt nicht nur eine Rolle in der Legitimierung des Verbrechens, sondern auch in der Legitimierung eines jeden wie auch immer gearteten Anteils am Krieg. Ihm den metaphysischen Charakter zu nehmen, würde bedeuten, das Verbrechen selbst und gerade als Verbrechen nicht nur zu überprüfen, sondern auch das Engagement des Einzelnen als manipulierter Ausdruck fremder Interessen, präsentiert (promoviran) durch eine Ideologie des reinen Nationalismus oder zumindest als – Unsinn zu begreifen. Personen, die gegen das gerichtliche Verfahren Protest einlegen (also, nicht gegen das gerichtliche Urteil, sondern gegen die Möglichkeit einer Schuld eines Kroaten im Krieg selbst), legen Protest gegen den Unsinn ihrer Schuld und gegen die Reduzierung (svođenje) ihrer Gefallenen auf den toten Körper, der der mystischen Rolle des nationalen Märtyrers beraubt ist, ein. Im Augenblick der Demaskierung der Ideologie, die das Leben zu ihrem eigenen Zweck operationalisierte, werden alle zu exklusiven Verlierern (gubitniki). Alle, außer denjenigen paar tausend Kriegsgewinnlern, zu denen  auch herausragende Persönlichkeiten der Rechten zählen. Deshalb annulliert der erwähnte Ante aus dem Dorf Plavno, in dem von 150 Einwohnern nur drei von ihnen beschäftigt sind, nicht nur jedes Verbrechen, sondern verschweigt im Interview auch dasjenige, was ihm der Krieg gebracht hat: er lebt in einem verlassenen serbischen Haus, das schwer zu erhalten ist. Hier ist in der Tat die Nachkriegslegitimation durch das Ablehnen der realen Identität, durch das Ignorieren der Tatsache, dass man hungrig und arbeitslos ist! Er lehnt ab zu gestehen, dass er nichts bekommen, aber viel verloren hat! Diese Ohnmacht, dieses Bewusstsein, nichts erhalten zu haben, ist einer der entschiedenen Gründe des Insistierens auf den Fortgang des mentalen Krieges und auf das Insistieren auf seine Unfehlbarkeit.  Bloß der Krieg gibt diesem Geflecht [plet] aus Qual, Verbrechen und fremdem Profit einen Sinn, der moralisch problematisch ist und den Teilhabern in eigener Person, die sich heute immer häufiger vage mit dem Krieg einverstanden erklären. Mit anderen Worten, am häufigsten wird im Passiv und im Neutrum gesprochen, z.B. „es wurde niedergemacht“ (ubilo se) und es wird in geschlossenen nationalen Perspektiven bleiben, welche verschiedene  Erinnerungen an dieselben Ereignisse offerieren. Wie  das Nachforschen Jansens in den Dörfern, die im Laufe des Krieges in die Krajina inkorporiert wurden, zeigt, dass die Kroaten, die auf diesem Gebiet leben, nur den Beginn des Krieges  und die serbische Aggression hervorheben, während die Serben, die auf demselben Gebiet leben, wenn sie vom Krieg reden, nur über die Operation „Sturm“ des Jahres 1995 sprechen. Ihre Auffassung ist bis zu diesem Grad selektiv, dass sie nur auf die Zeitperiode  insistieren, die mit ihrer Interpretation korrespondiert. Es entsteht weder ein Annehmen anderer Erklärungen oder Ursachen (Interpretationen der Konflikte aus Intressensgründen, z.B.) noch entsteht die Möglichkeit des Analysierens konkreter Ereignisse im Krieg wegen des Umgehens des Gesprächs über  konkrete Fakten. Das Verbleiben in der Sphäre des Allgemeinen und Vagen legitimiert ihre gleichmäßig generalisierte und vage Anschuldigung, die sich in der Dichotomie unsere – ihre bewegt [kreće se].

Dabei muss akzentuiert werden, dass es sich in Kroatien um einen Krieg als Höhepunkt des nationalen Mythos des Opferstaates handelt, im Unterschied zu dem serbischen komplementären megolomanischen Mythos des Kriegerstaates. Ungeachtet dieser inhaltlichen Unterschiede, geht es im wesentlichen um dasselbe: ?die absetzbare Situation [abolira se] auf Rechnung eines ideologischen Weberinschlag.? [kurentna situacija se abolira na račun ideološke potke]

Diese Auffassung der Kriegsidentität wurde auch in den letzten Demonstrationen der Verteidiger vor dem Verteidigungsministerium in Zagreb und im Anwachsen des Einflusses nationaler Politiker in Serbien sichtbar.

 

 

Nach dem Krieg

gewaltsame Fortsetzung des Krieges nach dem Krieg (braucht die Nation den Krieg für das Leben?)

 

Vor ein paar Wochen begannen Demonstrationen der Verteidiger vor dem Verteidigungsministerium. Wie auch jede andere Demonstration – hatte auch diese klar formulierte Aufforderung zur Ablöse, aber die Gründe für diese Ablöse sind teils Fabrikationen, aber teilweise durchaus irrelevant. Warum in Zagreb selbst in diesem Augenblick eine Demonstration der Verteidiger stattfindet, überlassen wir den Analytikern der tagespolitischen Ziele und Manipulationen. Um nicht tiefer darauf einzugehen, das was uns interessiert, sind die Funktion derlei Mobilisierungen und ihr Charakter in Bezug auf den Krieg. Im Zentralzelt, das als zentraler Punkt dieser ungewöhnlichen Ansammlung gilt, ist eine Aufschrift angeschlagen: „1991 gegen Jugoslawien, 2014 gegen Jugoslawen”.  Also, der Krieg wird fortgesetzt, aber die Schuldigkeit (Verpflichtung) der Personifizierung des „Bösen“ wird auf der Ebene der Identifikation als „Jugoslawe“ vollendet. Das Problem liegt bloß darin, dass die Jugoslawen evident Kroatien nicht ausplünderten (neben dieser intimen verschwiegenen, aber sehr häufig impliziten Identifikation: Jugoslawe – Serbe – Partisan), das sind auch sie, gegen die die Kriegslagerhäftlinge Protest einlegen und wofür es keine rationalen Argumente oder Fakten gibt, welche zu Gunsten ihrer Erfordernisse in Betracht kämen. Ebenfalls, eine sehr begrenzte Anzahl von Verteidigern (einige hundert) im Verhältnis zu ihrer Gesamtzahl, ist Zeuge der Marginalität ihres Verlangens und der Partikularität ihrer Interessen, welche sie dazu bringen, noch einmal inszenierte Opfer im Namen des Staates und der Nation zu sein. Dieses Phänomen Opfer ist in allen Aspekten der Darstellung der neueren kroatischen Geschichte sichtbar, vom öffentlichen Betonen dieser Momente bis zur Entwicklung der spezifischen Geschichte eines Opfervolkes in den Schulcurricula der 90-iger Jahre.

Eine viel dramatischere, politisiertere, diskriminierendere und obskurere Kopie der Zagreber Situation finden wir am anderen Ende des Flusses, in Beograd, wo sich ebenso ihre Heimatliebenden /domoljubi/ (obwohl sie weder eindeutig bestimmt noch identifiziert sind) im Zeichen der Unterstützung Šešels, der vor zwei Wochen aus der Haft in Den Haag zur Kur entlassen wurde, versammeln. Aber anstatt mit Ärzten hat er sich mit Anhängern umgeben, und anstatt Medikamente einzunehmen, begann er hielt er Haßreden in der Art der von 1991 über Großserbien. Das was man nach dem ersten Schock der Zivilisierten sehen muss, ist –dass sich dort nur   0,02% der Gesamtzahl der Bevölkerung Beograds einfanden (von welchen sicher eine große Zahl nicht aus Beograd stammt, nur zum Vergleich)! Dies zeugt, wie auch in dem vorhergehenden Fall, von der Marginalität, von der Ideologie und vom Krieg, welcher sich in marginalen Gruppen, die ihn noch immer brauchen, weiter abwickelt, wenigstens auf symbolischer imaginärer Ebene.

Doch diese symbolische Ebene wächst zuweilen in einen gefährlichen politischen Raum, so wie es mit der Initiative zur Beseitigung der kyrillischen Beschilderung in Vukovar passiert ist.  Früher war die Sprache als Werkzeug der Unifizierung der Südslawen von Nutzen, nach 1990 wird sie zu einem Mittel der Aufteilung und Platz politischen Streits. Und als eines der paradigmatischen Trinität der Romantik – Nation, Staat und Sprache – gesteht es nicht einer Sprache das Recht zu, dass sie sich auf ihrem Platz befindet und in ihrem Garten, denn -  wie wir am Anfang gehört haben – die Nation gründet sich geradezu auf der sprachlichen Verschiedenheit. Deswegen wurde in Vukovar der „Wendepunkt für die Verteidigung des kroatischen Vukovar“ in Gang gesetzt, der das einzige Ziel  hat, den nationalen Minderheiten das Recht auf Schrift und Sprache zu ermöglichen, und nachfolgend auch der Kultur.

Die Serbokroatische Sprache illustriert so, mit ihrer Verkopplung und Absonderung der Sprachen, auf eine feststehende Weise, wie Ranko Bugarski bemerkt [primjećuje],   noch einmal das Schicksal der ganzen Region.

 

Die Kultur des Gedenkens (an sich): erinnerst du dich – an dich?!

 

Das Vergewaltigen der Kultur und besonders der Kultur des Gedenkens, deren Sprache nur eines der besseren Beispiele ist, zeigt wiederholt auf seinen Ebenen, von der Revision der Geschichte bis zur Ebene der eigenwilligen (gewalttätigen) Wechsel der Identität bestimmter Örtlichkeiten und Städte.

Das Problem des Löschens der Identitäten ist am deutlichsten  sichtbar im Transferieren der früheren Ideologie aus dem öffentlichen Raum durch die Veränderung der Straßennamen und das Wegschaffen der Denkmäler, als auch anderer Zeugen der 45-jährigen jugoslawischen Koexistenz. Andererseits vergisst das Spiel und gleichermaßen der unreife Wechsel der Geschichte die Rolle des Beamten. Anstelle der ehemaligen ideologisierten jugoslawischen Geschichte wird eine Nostalgie, die zumindesten auf dem selektiven Erinnern gegründet ist, gesetzt. Erstaunlich sind die Träger dieser Erinnerungen nicht nur Partizipiernde der Ereignisse 1939 – 1945, sondern auch alle anderen Bürger, wobei auch die eingeschlossen sind, die nach dem „Heimatkrieg“ geboren wurden. Unter der Entschuldigung, private Memoiren in die offizielle [službena] Interpretation der Geschichte einzuführen, wird noch eine selektive ideologisierte Geschichte im Dienst des nationalen Projektes angeboten. Über dieses Problem hat der Historiker Dragan Markovina, der unlängst auch das Buch „Von Rot zu Schwarz“ herausgegeben hat, genug geschrieben; in welchem sich der Analytiker mit der Falsifizierung der Geschichte im öffentlichen Raum an den Beispielen Split und Mostar (Herzegowina, BundH) beschäftigt. Während Split vollständig und konsequent seine Elemente sowohl der Partisanenbewegung als auch des Antifaschismus ausgelöscht hat, ist Mostar die Arbeit an einem Symbol des Kampfes und der Teilung, die durch die zentrale Alte Brücke die westliche kroatische Seite von der östlichen muslimischen Seite der Welt teilt. Damit wir uns nicht weiter aufhalten, nehmen wir nur ein populäres Beispiel  aus der Fußballkultur. In Split gibt es zwei Fußballklubs – wie es sich gehört, denn jede Stadt, die etwas auf sich hält, muß ein Städtederby haben. Diese Klubs sind Hajduk Split und RNK Anarh Split. Im Namen Anarh versteckt sich schon der Keim einer ideologischen Haltung, der Anarchismus dieses städtischen Vereins entstand in einem Stadtteil, wo Tagelöhner lebten. Anfang des zweiten Weltkrieges 1941 schlossen sich die Spieler von Anarh der Ersten Spliter Partizanentruppenabteilung an und endeten mit ihnen, erschossen in Rudiš nach dem Gefecht mit den Italienern und den Ustaši. Von Bedeutung ist dabei, darauf hinzuweisen, dass dies nicht nur die erste Spliter, sondern die erste ilegale Partisanenabteilung in ganz Europa war! In diesem Partisanengeist schloss sich auch der andere Fußballklub „Hajduk“ drei Jahre später an (1944), welcher  das Angebot abschlug,  sich der ersten italienischen Liga anzuschließen und welche als Mannschaft der NOVJ (?) in ganz Europa spielte und dabei die Angebote Pavelić' und Mussolinis ablehnte. Wiewohl sie wiederholt aufgefordert wurden, sich der faschistischen Liga anzuschließen, ging kein Spieler darauf ein, aber Hajduk wurde als Partisanenklub berühmt wie niemals zuvor und niemals später:  als Partisanenklub spielend absolvierte er während des Krieges 90 Matche in ganz Europa, wobei er in 74 von ihnen gewann. Während andere Klubs wie Ajax, Milan, Bayern, Barcelona und der proletarische Inter ihre Rolle im Zweiten Weltkrieg verschweigen, denn sie spielten nach den Regeln der neuen faschistischen Liga – Hajduk – der auf seine Spieler, die auf der Seite des Widerstandsbewegung standen und dafür von Charles de Gaull ausgezeichnet wurden, stolz sein sollte - schämt sich dafür. Auf keiner offiziellen (dienstlichen) Seite Hajduks wird man eine Angabe über den Titel des Siegers des Cups europäischer Meister, des einzigen Titels jemals. Heute schämt sich Hajduk seiner antifaschistischen Geschichte und kehrt sie unter den Teppich, während sich nationalistische und rassistische Parolen durch die Stadien pflügen [ore].

Andere Schulbeispiele der Geschichtsrevision sind die Errichtung des Denkmals des HOS-Kämpfers [bojna] Rafael Ritter Boban in Split, das nach einem Ustaša-Oberst benannt ist und das Gedenken des 70. Jahrestages der Befreiung Beograds  ohne irgendeine Erwähnung des Namens Josip Broz Tito oder der Nationalen Befreiungsarmee Jugoslawiens, die gemeinsam mit der Roten Armee den Sieg davontrug und die Stadt befreite. Die Geschichte wird verschwiegen – eine einzige Erinnerung brachte Vladimir Putin zustande, Ehrengast der pompösen Feier, aber niemand von den serbischen Politikern und Rednern. Ganz ähnlich, gerade am Tag des Sieges über den Faschismus (9. Mai) wurde in Split, wo insgesamt 50 Einwohner von 40 000 zur Ustaša gingen, während dagegen 12 500 zu den Partisanen gingen und zusätzliche 10 000 aktiv der Partisanenbewegung mit Verpflegung und anderem halfen, das Denkmal der erwähnten Kampfes- (bojna) des Ritters Boban enthüllt, wobei der Bürgermeister, als sei es ein Fehler, allen Anwesenden zum Tag des Sieg über den Antifaschismus (!). na kojoj gradonačelnik, kao omaškom, čestita svim prisutnima dan pobjede nad antifašizmom (!).

Dieses subtile Verschweigen und Revision sind nicht nur für die kollektive Geschichte reserviert, sondern sie ereignen sich auch auf der individuellen Ebene. So wie sich Hajduk für seine Vergangenheit schämt, so schämt sich auch der Einzelne seiner und bleibt ein Befürworter der auferlegten Ideologie von Heute. Wie der bekannte Mythos über das Belgrader Zusammentreffen der Arbeiter, die einer Rede Slobodan  Milošević‘ lauschten, lautet: sie kamen als Arbeiter zusammen und gingen als Serben auseinander. In dieser Parole [parola], die beiläufig sei das gesagt auch in Schulbüchern in Kroatien anwesend ist, obwohl sie kontextuell unvollständig und ideologisiert ist, ist die Wichtigkeit der Rolle der Mythologeme und der Manipulation durch konstruierte, imaginierte Identitäten zu ersehen. Wenn auch die Mehrheit der Personen, die zur Zeit in Serbien und Kroatien leben, wenigstens nach dem lauen Zuspruch für radikale Politiker zu urteilen (nicht einmal 1%) und nach der Tatsache zu urteilen, dass in Kroatien als letzter Präsident Ivo Josipović, der in den 1990igern aus der Überzeugung, dass die Sozialdemokratische Partei zu gutmütig gegenüber dem Regime Tuđman sei (!), die Politik verlassen hat, gewählt wurde, sind es nicht die Nationalisten,  denen die Gestaltung einer Illusion passt, sei es der einen oder der anderen Seite. Der Nationalismus jener anderen passt zur Aufrechterhaltung unserer nationalistischen Idee als relevante: wenn keine Drohung des anderen besteht, gibt es keine Notwendigkeit nicht einmal für unsere aktive, nationale, ideologische Verteidigung. Das ist das Prinzip, auf dem die eingelullte Sicherheit der Position der politischen Parteien beruht und das nicht exklusiv nur mit dem jugoslawischen Nachkriegsraum verknüpft ist, sieht man es doch in der Welle profaschistischer und radikal rechter Ideologien, die exponentiell zum Wachstum der wirtschaftlichen Krise von Norwegen bis Griechenland wachsen.

 

Wer braucht eine irreale Identität: Summierung des Sinnes der Abweisung der Wirklichkeit KOME TREBA IREALNI IDENTITET: SUMIRANJE SMISLA ODBIJANJA STVARNOSTI

Das erwähnte Verständnis der Abweisung der Wirklichkeit der Präsentation nationaler Ideen zuliebe, zu dem passt einerseits der ökonomische Kollaps der Wirtschaften Ost- und Südeuropas, und andererseits dem War on Yugoslav Succesion, welcher zu einer kleptokratischen Oligarchenmacht (dass wir nicht sagen zu legalen Diktaturen sowohl in Serbien als auch in Kroatien) im Namen der Idee der „Nation“ führte, entspricht nur noch jenen, die keineswegs den Platz des Volksführers zu verlieren wünschen. Durch die Geschichtsrevision wird eine Kriminalisierung der sozialistischen Idee allgemein durchgeführt, Jugoslawiens insbesondere, sie verwirklichen dieses perfide Ziel, welches nicht den Forderungen (Bedürfnissen) des jetzigen Augenblicks entspricht, wie auch nicht den Wünschen der Bevölkerungsmehrheit. Die Methoden zu seiner Verwirklichung sind einerseits die Inhaltskontrolle im Geschichtsunterricht (welche sich radikal immer wieder in der offen Kontrolle des Inhalts von Geschichte und Geografie seitens des Bildungsministeriums in Serbien zeigt), und andererseits das ständige  Auswerfen neuer national gefärbter Konflikte, damit sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit lieber auf sie richte und nicht auf die wirklichen Probleme wie Arbeitslosigkeit und den Kollaps des Produktionssektors, was symbolisch auch durch das Löschen des Terminus „Arbeiter“ aus der kroatischen Arbeitsgesetzgebung!

Der absolute Kollaps der Ökonomie und die Ungeschicktheit im Überlaufen [u previranjima] europäischer Politik führte zu einem immer stärkeren Wuchern nationaler Fundierungen, nur ein wenig waren sie augenblicklich marginal im Verhältnis zur passiven Mehrheit. Der imaginäre Feind ändert sich und wird von Situation zu Situation konstruiert, einmal ist es eine Minderheit, einmal die EU, aber er bleibt als Konzept des Verhältnisses zur Wirklichkeit ununterbrochen ein Kennzeichen der politischen Wirklichkeit der postjugoslawischen Gesellschaften.

 

Abschließende Überlegungen

 

Was ist mit dem Nationalismus heute? Gibt es ihn überhaupt, wenn wir über sein Wachstum einseitig sprechen können, und es scheint, dass wir auf der Grundlage des Popularitätswachstums der rechten Ideen, und das wird sich zweifellos bei den folgenden Wahlen zeigen, ein Nationalismus im Sinne des politischen Nationalismus der 1990-iger haben werden oder wird eher die Rede von der Reaktion auf die ökonomischen Politik der Koalitionsregierung sein?  Nämlich die Wahl Ivo Josipović‘, der als das reine Gegenteil der Ideologie der HDZ gilt, bezeugt genügend die liberalen demokratischen Werte der kroatischen Gesellschaft. Nämlich wie Harris im Nachdenken über den postkommunistischen Nationalismus des Ostens behauptet hat, ist es genauso notwendig auch die liberale Komponente der europäischen Integration wie auch die Elemente der klassischen Politisierung der Ethnizität anzuerkennen. In dem Maße das Problem des heutigen Nationalismus keine Aufnahme der liberalen, demokratischen Werte ist – sondern das Problem darin besteht, wie die Geschichte aus dem aktuellen Kampf auszuscheiden ist? Wie kann in Bezug darauf der Einfluss der geschichtlichen Erinnerung auf die Formierung der Idee einer neuen Nation annulliert werden und mehr in Übereinstimmung mit der aktuellen Auffassung des Westens stehen?

Während sich die liberalen Ströme und die Zivilgesellschaft mit dieser Frage befassen, beobachten wir ein Anwachsen der Mobilisierung der breiten Volksmassen von Seiten der rechten Organisationen, wenn nicht der politischen Parteien. Ist doch der Erfolg von Željka Markić ein klassisches Beispiel, demokratische Institutionen zur Implementierung einer Politik des Ausschlusses von sexuellen Minderheiten zu nutzen. Ein anderes Beispiel ist das breite Engagement um die Reduktion der Rechte nationaler Minderheiten, das primär von dem Wunsch inspiriert ist – raten Sie – der Reduktion des Rechts und dem Aufheben des Rechts auf die Schrift der serbischen nationalen Minderheit. Solche politische Mobilisierung, begleitet generell gesprochen vom absoluten Mangel von Engagement um die ökonomische Frage (alles bis zur kürzlichen Initiative um ein Referendum gegen die Monetarisierung der Autobahn), zeigt von neuem die Revitalisierung der Interessen des ethnischen Nationalismus.

Die Gründe dafür liegen teilweise in: 1) dem psychologischen Bedürfnis des Bestätigens der Identität der Nation, welche noch allein das Opfer des Heimatkrieges legitimiert, welches jeder erhabenen Mission der Realisierung der geschichtlichen Tendenz der Nation beraubt ist, dabei bildet (behauptet) es sich als reines Verbrechen; 2) in der Undurchführbarkeit, eine alternative Reaktion auf die ökonomische Situation, die sich in der Spannung [raspeta] zwischen den Populisten der in gleicher Weise abstoßenden Extreme der Dichotomie Liberalismus – Kommunismus befand, und was auch in anderen Staaten, in denen dank der Krise die nationalistischen Fraktion stärker werden, sichtbar ist, und 3) als affektive Reaktion auf die Angst vor dem Verlust der Identität im Rahmen der übernationalen Gemeinschaft, welche die Europäische Union ist.

Nach Dejan Jović schaute schon Tuđman misstrauisch auf die EU als „noch ein liberales Projekt, das die kroatische, nationale Identität bedroht“, aber in dem Maße wir den Widerstand gegenüber der EU beobachten können, (auch wenn sich die linken, intellektuellen Kreise (denn die offizielle, parlamentarische Linke unterstützte den Beitritt) dem Anschluss widersetzt haben) ist als Fortsetzung dieser Tuđmanschen Reaktion aus dem Wunsch heraus, die nationale Homogenität in staatlicher Geschlossenheit zu erhalten, dominant.

Literatur:

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Author

Anita Lunić

Anita Lunić, Magiste

 

Translator

Stephan-Immanuel Teichgräber (kurz)

Literaturwissenschaftler und Übersetz

 
Dokumentationsstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur