Kommunalwahlen in Böhmen und Tschechien

Kommunalwahlen in Böhmen und Mähren
STEPHAN TEICHGRÄBER
Die Wahlen am vergangenen Freitag und Samstag in Tschechien zeigens uns sehr eindrücklich, dass durchaus alle Bürgermeister auf einmal gewählt werden können und dass ein langer Wahlkampf wie in dedr Steiermark und Wien, wo sich ganz Österreich erst mit der Steiermark und dann mit Wien beschäftigen soll, eigentlich entbehrlich ist. Die Regierung in Prag hat auch nicht das Budget und die anstehenden Sparpläne verheimlicht, mit dem Ergebnis, das die Partei des Ministerpräsidenten massiv verloren hat, während die Partei des Finanzministers massiv dazu gewonnen hat. Eine Lehre für Josef Pröll, vielleicht hätte er sich vor den beiden Wahlen mit Miroslav Kalousek zusammensetzen sollen, wie bei kommunalen Wahlkämpfen vorzugehen ist, wenn gleichzeitig ein Budget vorgelegt werden soll. Im ORF kam nur die Meldung, dass die ODS, die seit zwanzig Jahren Prag regiert, ihren Bürgermeistersessel verloren hat. Dagegen wurde die Wiener Wahl weder im tschechischen, noch im slowakischen, noch im ungarischen Rundfunk erwähnt; auch das spricht für bundesweite Kommunalwahlen, dass dadurch die internationale Wahrnehmung verstärkt wird. Außerdem werden die Wahlen dann nicht mehr als ein regionales Phänomen angesehen, wofür die Bundesregierung und die Bundespolitiker nicht zuständig sind. Die Vorsitzenden der einzelnen Parteien wurden in Prag genauso interviewt, wie vor Ort die Regionalpolitiker. Zugleich haben wir jetzt auch den Vergleich, da die steierische und die Wiener Wahl so dicht vor den tschechischen Kommunalwahlen waren, welche Politiker schneller tragfähige Stadt und Landesregierungen zustande bringen, wo schneller die Landeshauptleute feststehen. So stützte sich der sozialdemokratische Bürgermeister von Brünn auf eine große Koalition aus Grünen, CSSD (Sozialdemokraten) und Christdemokraten. Überhaupt kommt die gesamte junge Garde der tschechischen Sozialdemokraten aus Brünn und Südmähren.
Bezeichnend ist, dass in einigen großen Städten sich neue lokale Bürgerparteien (z.B. Zmena pro Liberec *Änderung für Reichenberg+, Karlovarská občanská alternativa *Karlsbader Bürgerinitiative+, Občané pro Budějovice *Bürger für Budweis+) durchgesetzt haben. Warum gibt es in Österreich nicht eine solche lebendige Politik, dass neue lebensfähige Parteien gegründet werden? Prag wird wahrscheinlich schneller eine neue Stadtregierung haben als Wien, obwohl es einen neuen Bürgermeister, Zdeněk Tůma (TOP09), geben wird, er will sowohl mit der ODS (Bürgerlich-Demokratische Partei) als auch mit den Sozialdemokraten sprechen. Damit hätte die Partei von Karel Schwarzenberg (TOP09) acht Monate nach ihrer Gründung schon den Bürgermeister der Hauptstadt erobert. In Brünn könnte es zu einer ähnlichen Situation wie auf gesamtstaatlicher Ebene kommen, wo die Sozialdemokraten zwar gewonnen haben, und zwar erstmals nach der samtenen Revolution, aber sich die konservativen Koalition zusammenschließen und den Bürgermeister selbst stellen könnten. Sowohl in Prag als auch in Brünn haben sich die Politiker schon das laufende Wochenende zu Koalitionsgesprächen getroffen, sodass auch aufgrund des Verhandlungstempos Wien und Steiermark bei der Bildung der Stadtregierungen später zu einem Ergebnis kommen liegen werden.
Wie sich schon im Laufe des Montags abzeichnete, sind sich die Rathäuser in Prag und Brno schon fast einig, welche Koalition gebildet werden soll. In Prag gibt es sogar einen Deal mit der ODS, gebt ihr uns den Bürgermeister, bekommt ihr wenigstens den Bezirksvorsteher von Prag 1. In Brünn zeichnet sich dagegen ein trauriges Schauspiel ab: Der bisherige sozialdemokratische Bürgermeister Ondrejka bietet trotz seines überwältigenden Sieges der ODS an, dass sie in der nächsten Legislaturperiode alle strategischen Entscheidung über städtische Aufträge allein entscheiden kann.
Außerdem sollen sie sechs der elf Stadträte bekommen, obwohl die Sozialdemokraten zehn Prozent mehr Stimmenanteil haben. Eine direkte Einladung zu Korruption und Selbstbedienung. Ein solches Umfallen könnte in Wien Häupl nicht passieren, aber ihm droht auch kein Zusammenschluss der drei anderen Parteien gegen ihn.
Ein Blick noch zu den Senatswahlen, die zu einem Drittel gleichzeitig stattgefunden haben. Der Senat hat in Tschechien wesentlich größere Kompetenzen als der österreichische Bundesrat; darum wird auch nicht über eine Auflösung diskutiert, weil er wirklich ein Korrektiv sein kann. Zweiundzwanzig der zuvergebenden siebenundzwanzig Senatorensitze gingen an die Sozialdemokraten, die damit die Mehrheit im Senat stellen. Auf diese Weise kann die Poltik der Regierung nicht nur kontrolliert, sondern auch korrigiert werden. Ein großer Erfolg der jungen Politiker der CSSD und zugleich eine Anregung für Österreich. Keine ewige große Koallition, sondern ein starker Bundesrat, durch den auch Minderheitsregierungen möglich werden.

2010-10-21T00:00:00