Ist tot

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Publisher: Dokumentationsstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur
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Publication Date: 05.08.2021
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In stock: YES
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Country: Austria
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Ist tot

Sie lag in einem angenehm temperierten Raum und nichts passierte, nicht einmal der Plafond stürzte herab.

Was macht man in einer solchen Situation?

Sie stand auf und zündete das Gas in der Küche unter der Kanne an. Die Autotür wurde auf dem Parkplatz zugeschlagen, und sofort klingelte jemand an der Tür. Die Geschichte hat danach schon begonnen und ein solider Herr würde sie gerne in einem Café lesen, aber es stört ihn aber ein Freund aus Kindertagen, der sich zu ihm gesetzt hat und gleich loslegte:

„Ist das möglich? Deutschland hat bisher nur unter hundert ausgewiesen! Verstehst du, von tausenden? Das wird noch ein Geplänkel. Daran ist ihre alte Hexe schuld. Ich bin gespannt, wie das ausgeht!“

Der solide Herr schaut auf das Buch. Die Hexe erleichtert das in einem fort. Weniger als hundert! Von tausenden!“

Wer weiß, was der solide Herr von der Geschichte erwartet. Scheinbar will er die Realität vergessen. Die Hexe, das Alter und vor allem den Tod. In der letzten Zeit hörte er viel von Halsabschneidern aus einer anderen, feindlichen, blutrünstigen (blutgierigen) Kultur. Dabei sind das angeblich ebenso Buchmenschen, wie er, der solide Herr, dessen grauer Hubertus am Eingang an einem falschen Secessionskleiderständer hing. Jetzt nutzt er den Umstand, dass der Freund verstummt war, und so stürmisch in dem Band blätterte, dass der Frau in der Küche das Wasser aus der Kanne überfließt.  Es hätte nicht viel gefehlt, dass sie sich die Finger verbrüht hätte. Die Kanne flog auf den Fußboden, die Frau schaut sich auf die Hand und kann es nicht glauben.

„Angeblich sind in Deutschland nur noch acht Prozent von denen, die sich auf den Weg gemacht haben! Kannst du dir das vorstellen?“

Der solide Herr bückt sich unbewusst (unterbewusst).

Umso weniger es sind, umso weniger wird er bedroht sein.

Wieviele sind unterwegs?

Kommen sie auch hier her?

Werden sie ihn zu Gesicht bekommen?

Werden sie mit der Tür hereinfallen oder zerschlagen sie die Schaufenster?

„Und sie werden uns nicht fragen,“ betont der Freund aus der Kindheit, sie werden nicht fragen, betonte im Fernsehen angeblich ein Oppositionspolitiker, sie werden nicht fragen, betonte ein Сoсk (Cazzo) auf dem prorussischen Cockweb, sie werden nicht fragen, ob sie kommen können.

„Wir brauchen einen Kaffee, dann können wir lachen. Aber woher nimmt man einen Kaffee für Millionen Migranten? Wer wird das alles kochen? Daran hätten wir denken sollen, als wir die Welt kolonisierten!“ Ich habe nicht kolonisiert, denkt sich der solide Herr, obwohl er weiß, dass das eine dumme Floskel ist. Haben doch andere für ihn kolonisiert, in seinem Namen, zu seinem Vorteil. Und der Freund aus der Kindheit bestärkt ihn sofort darin:

„Auf dem Tisch hast du einen hundertprozentigen Café Arabica. Was glaubst du, woher er kam? Du kaufst ihn dir heute für eine Kleinigkeit (einen Pappenstiel). Das ist nicht sein wirklicher Preis, denn der war blutig. Warte, sie kommen jetzt, um ihren Arabica zu holen!“ Der Herr schließt das Buch fester, und die Frau in der Küche schaut weiterhin verständnislos auf die leere Kanne, die auf dem Boden kullert und deren Bewegung nicht langsamer, sondern schneller wird. Dies sollte ein weiterer unbedeutender Tag im unbedeutenden Leben der Frau sein.

Und das ist es wirklich.

Sie erinnerte sich an das Klingeln an der Tür.

Wann war das?

Vor einer halben Stunde?

Was ist, wenn hinter der Tür immer noch jemand steht?

Wenn jemand läutet, hat er gewöhnlich ein klares Ziel.

Das ist beneidenswert.

Aber warum hat er nicht wieder geklingelt?

Weil sie ihn gleich nach dem ersten Klingeln hereingelassen hat. Sie stritt sich einen Moment mit ihm im Wohnzimmer. Er war der Vater ihres Kindes, der ehemalige Ehemann. Sie stritten sich wegen der Tochter, aber wo ist die Tochter - im Internat? Ja, sie studiert in der Hauptstadt. Sie stritten sich um Geld, es gibt nie genug Streit um Geld. Der ehemalige Ehemann ist aggressiv und vulgär genug, dass die ganze Welt, mit Ausnahme seiner ehemaligen Gattin, ihm gemeinsam mit einer attraktiven, aber alternden Kellnerin, die an ihren Tisch kommt, sobald der Mann und die ehemalige Gattin das Café betreten, wo der solide Herr sitzt, zu Füßen liegt. Die ehemalige Ehefrau kennt ihren ehemaligen Gatten sehr gut, so dass sein Charme sie nicht berührt.

Author

Balla, Vladimír

BALLA, geb. 8. 5.

 

Translator

Stephan-Immanuel Teichgräber

Lebenslauf

 
je mrtvy