Öregapa

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Publisher: Dokumentationstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur
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Publication Date: 16. September 2016
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In stock: YES
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Country: Austria
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Öregapa[1]

(Jolana)

 

Ich stieg wie jeden Morgen am Hauptbahnhof aus und stöckelte zur Arbeit. Die Straßenlampen leuchteten noch. Auch der Mond, wie eine Grammel, stand blass am Himmel. Die Straßen waren voller Leute, die genauso wie ich zur Arbeit gingen. Die Schuhe pochten, es rieben die Silonstrümpfe, alle möglichen Blumen blühten den Frauen auf den Blusen.

In der Arbeit der Schrank, stets aufgesperrt, hatte ich doch in ihm nichts, nur den weißen Kittel, die trugen wir alle im Kühlraum. Ich setzte Wasser für den Kaffee auf, ich stellte zwei Tassen bereit, auch für die Kollegin, aber als ich beide eingoss, unterhielten wir uns nicht wie sonst. Unaufhörlich beunruhigte mich etwas. Warum hustet der Öregapa so? Hustet er doch nur jede Nacht. Vorher hat er niemals so gehustet.

Wann immer wir uns in Nacht in der Küche trafen.

- Können Sie nicht schlafen?

- Ich schlafe doch, siehst du nicht? Geh schlafen und erschrecke mich nicht!

Am Nachmittag erzählte ich Bežka von Öregapas Husten. Ich lief zu Ilon, die schleppte auch Julča und Öregapa herbei, als sie uns so in der Küche sitzen sahen, entflohen sie zu den Dubans. Meine Schwestern haderten und überschrien sich, vernünftelte die eine wie die andere, auch alle zugleich, für einen Augenblick machten sie mich nervös, sie wissen doch nicht ordentlich, wie wir leben, und ich wünschte mir nur eins, dass sie weg wären.

Mihály betrank sich und Ilon schleppte ihn nach Hause. Ihr Belinko fand in Ostrava ǀ Ostrau eine ernste Bekanntschaft, irgendeine Jirka, unlängst schrieb er heim, dass er auch zur Kirchweih nicht kommt, weinte Ilon. Burschen kamen Bežka abholen, Tatko[2] macht Witze, man muss retten, was zu retten ist, und Julča, als sie auf dem Hof herumirrte, steckte sich unter den Rock eine kleine Unkrauthacke und lief durch das Loch am Zaun hinauf Beži hinterher.  

Wir machten aus, dass wir Öregapa nicht erlauben zu trinken, obwohl sein Liter Wein mit dem Husten in keinem Zusammenhang stand. Als in einer Stunde Öregapa von den Dubans zurückkam, hatte er äußerst gute Laune. Gleich an der Schenke traf er angeblich seinen früheren Kollegen. Seit jeher nannte man ihn bei der Arbeit Nono. Denn er war so ängstlich und sagte ständig „nono!“ Alle an der Eisenbahntrasse nannten ihn Nono.

- Nono, wie geht’s?

Er begann sich jedoch umzublicken, er sagt, dass er bei der  nicht mehr an der Eisenbahntrasse arbeite, er habe eine neue Stelle im Dimitrov-Werk und er sei hier mit Kollegen von der Arbeit, die ihn schon nicht mehr Nono nennen.

Nenne mich nicht Nono, - flüsterte er Öregapa zu, - sie rufen mich nicht so, ich habe bei ihnen einen anderen Spitznamen.

– Und wie soll ich dich rufen, wie rufen sie dich? – lachte Öregapa.

– Bomboš!

Wir lachten und danach fing ich an, auf Öregapa vorsichtig und unauffällig einzureden, dass er viel raucht und trinkt, aber schaute mich so streng an, dass ich zum Schluss selbst in den Keller ging und unseren Rosée heraufholte und mir, zum Mut machen, eingoss.

- Es sagt doch keiner, dass Sie nicht ab und zu etwas trinken können, auch ich trinke heute mit Ihnen! Was wäre, wenn wir heute nicht trinken!

- Du brauchst keine Angst mehr um mich zu haben, - wies mich Öregapa zurecht und goss sich und mir zum zweiten Bein ein, - das ist lieblicher Wein, Jolanka, was? Wein kann nicht böse sein. Es kann nur guten Wein geben und besseren. Wir tranken den Rosé und sprachen über das misslungene Schweineschlachten. Wir schlachteten einen Eber und das Fleisch stank so, dass man es nicht essen konnte. Wir probierten ihn so oder auch anders, immer war es zu riechen und es kam uns hoch. Zum Schluss gaben wir ihn  Bežka für den Hund.

– Sicher wird er ihn aus Geiz fressen, - scherzte Öregapa, - dieser Zigeunerköter hat einen Magen wie eine Saubütte.

- Ich gehe noch einen holen, wo der Wein so gut ist...

Und wie wir so saßen, bin ich dreimal in den Keller gelaufen und habe Wein gebracht, na und als Aliska von der Schule zurückkam, umarmte ich Öregapa und  Katka am Tisch und wir sangen „Es fließt das Wasser fließt durch den Maierhof in Welka“.

Am nächsten Tag stand Öregapa nicht auf. Er hustete nur und hustete.

- Ich hole den Doktor, - sage ich.

- Rasiere mich dann wenigstens, damit ich hier nicht wie ein Räuber herumliege!

Ich rasierte ihn und lief zum Arzt. Er kam, horchten ihn ab und drängte uns, schnell ins Spital zu gehen.

Am dritten Tag setzten wir uns in den Zug. Öregapa war picobello, im Feiertagsanzug,und mit eingekremten und polierten Sonntagsschuhen. Alles besah er sich im Zug, machte mich auf was auch immer für Kleinigkeiten aufmerksam, auch auf dem Hauptbahnhof prüfte er alles gründlich und erzählte, was und wie es war, als er als Lokführer immer nach Bratislava fuhr.

- Ich würde mich hier nicht mehr auskennen, - schüttelte er mit dem Kopf und grüsste die überraschten Schaffner, - ich kenne hier niemanden mehr.

Auf dem Weg nach Bratislava schlief er ein. Ich konnte ihn am Bahnhof in Bernolakovo  kaum aufwecken.

- Wo ist Tarzan? Er würde uns schon umrangieren, - sagte er.

Das war seine letzte Bahnfahrt. Danach blieb er liegen. Angeblich Lungenentzündung. Und ununterbrochen verlangte er Wein und noch einmal Wein. Manchmal stand er auf und ging sich anziehen, ich wusste, dass er sich eine Pfeife ansteckte. Dauernd stritt ich mit ihm wegen des Weins und der Pfeife. Ich lief hinter ihm her wie ein Hund und kontrollierte ihn. Am Ende versteckte ich ihm den Weinspender. Wenn er nichts hat, um den Wein abzuziehen, wird er ihn nicht in großen Schlucken picheln.

Öregapa hatte sich aber etwas ausgedacht. Er pflückte eine Chrysantheme, die hat einen hohlen Stängel und mit diesem Chrysanthemenstängel holte er sich Wein.  Wenn er getrunken hatte, warf er immer ein Steinchen ins Fass, damit der Weinspiegel nicht sank, damit es aussah, als ob er nicht abnahm.

Ich blieb zu Hause, ging nicht zur Arbeit und bekam Pflegegeld. Jeden Augenblick rannte eine meiner Schwester herbei, um sich zu erkundigen, wie es Öregapa geht, arbeiteten ein bisschen im Garten und liefen zu ihrer Familie. Und er lag nur und starrte vor sich hin, in Gedanken zählte er sicher die Züge, denn wenn ein Zug vor unserem Haus vorbeikam, fuhr er auf. Vergebens, Züge, das war seine Sache.

- Jolanka, ich weiß nicht warum, aber wenn ich sehe, wie über mir Julča mit Bežka stehen, scheiße ich mich immer an.

Ein andermal kam Mihály auf dem Fahrrad.

- Geh‘ Wein abziehen. Aus diesem kleinen Fass.

Mihály zog und zog und im Fass war nichts, nur Steinchen...

Ich wies auch Mihály zurecht, dass er nicht auf Öregapa hört, und als Öregapa einmal Wein verlangte, hörte ich, wie ihm der ewig angeheiterte Mihály sagte:

- Heute trinke ich nichts, denn ich habe Medizin eingenommen.

- Medizin muss man mit Wein nachspülen, - gibt Öregapa nicht auf, - unser Jany nahm nach jeder Medizin Rum.

– Ist ja dann auch dorthin gegangen.

– Er ging dorthin, weil er eine Scheißfrau hatte. Die Frau muss gut sein!

- Erinnern Sie sich, welche Pferde die UNRA[3] nach dem Krieg hatte? Das waren Schlachtrösser! Und denen musste man mal erst Sattel machen!

- Wir sind damals an der Bahntrasse liegen geblieben, und auch uns haben sie weggezogen. Und von Duban wurde dieses Pferd abgebunden, gerade als sie Wein und Hefe auf dem Hof abzogen, ålles fraß es und bald danach krepierte es. Der alte Duban hat laut geheult.

- Und was hatten sie für Stiere im Gemeindehaus!

- Die hatten mehr als tausend Kilo, sie gingen mit ihnen auf Ausstellungen und überall gewannen diese Stiere, mit einem haben wir uns sogar einmal, erinnerst du dich, Jolanka?

- Wie sollte ich mich nicht erinnern! In jedem Haus hatten sie damals Kühe...

- Bis Allerheiligen jagten sie die Kühe und danach nach dem Georgitag, dem 24. April. Und jetzt bis heute trinken wir uns zu mit der Flasche aus dem Keller auf diese Stiere, die gewonnen haben!

Das gefällt mir nicht. Ich rief wieder den Doktor an. Er kam in die Stube, er schloss sich dort mit Öregapa ein und ich bin bis dahin neugierig in der Küche herumgelaufen und alles, was ich angriff, fiel mir aus der Hand.

Worüber die beiden nur immerzu lachen? Wovon sprechen sie?

-  Also kann ich jetzt auf Raubzug gehen, - schrie der verschwitzte Öregapa dem Doktor hinterher.

Als der Doktor herauskam, ging ich ihn zu begleiten bis zum Birnbaum Grüne Magdalene, flüsternd klagte ich ihm über Öregapa, wie wählerisch er im Essen ist und dass er sich nur Wein und Pfeife wünscht. Ich wollte, dass er mit mir zurückgeht, als ob er denn nicht irgendetwas vergessen hätte, und Öregapa ordentlich Bescheid sagte, denn mich nimmt er nicht ernst.

- Jolanteta, - sagte mir der Doktor, - Ihr Öregapa darf schon alles. Wenn er trinken will, gießen sie ihm eins ein. Auch die Pfeife können sie ihm geben. Soll er nur das machen, wozu er Lust hat. Verstehen Sie mich?

Ich stand unter dem Magdalenenbirnbaum und wischte mir mit dem Schürzenzipfel das Gesicht ab. Als ich wieder hineinging, sagte mir Öregapa:

- Na, siehst du, ich habe nichts, ein bisschen werde ich liegen und dann stehe ich wieder auf. Jolanka, die Reichen haben immer gezechert. Die waren in einem furt berauscht, und ich nur manchmal, wie wäre es, wenn ich mir jetzt etwas genehmige?

Ich ging in den Keller und stellte auf den Nachtisch eine Flasche.

Und wiewohl mir das ganze Leben lang seine Pfeife anstank, über die schon Nagymama schimpfte, setzte ich mich auf die Bettseite und begann ihn sauberzumachen. Zum Schluss stopften wir sie gemeinsam mit Öregapa und ich brachte das ein bisschen durcheinander.

- Gib das hierher, du hast Scheiße gemacht, Jolanka, - zerrte Öregapa und schmatzte an der Pfeife und blies den Rauch direkt im Schlafzimmer aus und Aliska stand mit Katka in der Tür und sie waren kurz davor, dass sie nicht anfingen zu weinen.

- Jolanka, wenn ein Kerl aufhört zu trinken, kann er noch etwas anfangen, auch wenn er mit dem Rauchen aufhört, kann er noch etwas anfangen, aber wenn er aufhört, Frauen nachzustellen, wird er nichts mehr anfangen. Ruf den Pfarrer, damit ich ihm sage, wie ich mich auf die alten Tage bekehrt habe!

- Gehen Sie irgendwohin! Auch eure Mama hat immer gesagt, dass sie kommt und ist nicht gekommen! Bis sie dann gekommen ist, und nicht einmal wusste wie.

– Mama war gescheit, auch ihren gescheiten Sohn schickte sie zur Bahn. å Asenbåhner war immer ein Herr. Den Krieg aber verloren die Slowaken, auch wir verloren ihn, auch ich. Als dein Jožko im Krieg war, kauften wir uns dieses Bild. Seitdem danke ich dem Vater im Himmel, dass er mich hier so hält, und auch wenn es nicht so aussieht, bete ich in einem furt.

Wieder kam Mihály.

- Du bist lange nicht hier gewesen, hast du für mich gebetet?

- Auch gebetet habe ich. Ich habe Ihnen vom Schlachtfest Blunzen gebracht.

- Gut, dass du gekommen bist. Ich habe hier keinen, mit dem ich mich unterhalten und ordentlich streiten kann. Worüber soll ich mit Jolana plaudern, wenn sie mit allem, was ich sage, einverstanden ist.

- Weißt du wieviel Schweine ich geschlachtet habe? Von den dreißiger bis zu den sechziger Jahren habe ich geschlachtet. Wenn diese Schweine alle zu meinem Begräbnis kämen, das wäre ein schöner Zug ǀ Aufmarsch.

Wir riefen den Priester.

- Ich geh‘ und ihr bleibt då, - scherzte Öregapa, als der Priester gegangen war, - so sprach immer ein Kollege von der Eisenbahn. Das war ein guter Kerl. Er ist schon dort.

Am nächsten Tag starb der alte (staručký) Öregapa.

Wenn ein Zug vorbeifuhr, machte ich lieber das Fenster zu, damit ich ihn nicht hörte.

Am Abend kniete ich nieder und betete. Herrgott, da habe ich niemanden mehr, mit dem ich mich verstehe. Jungfrau Maria, du bist meine beste Freundin, dachte ich und glaube, dass wir uns mit der auf dem Bild auch zulächelten.

 

Belino und Jirka

(Alica)

 

Und in Bratislava ǀ Pressburg in der Schule ununterbrochen Unterricht. Manchmal träume ich, dass ich Mamas Schwestern die Beine operiere. Auch (také) hatten sie an ihren Füßen in meinen Träumen große Krallen!

Unsere Mama saß oft auf Öregapas Stockerl, sie zog sich immer wieder (hocikedy) seinen Mantel an und ging durch den Garten, als ob sie etwas suchte. Hier schnitt sie etwas ab, dort band sie etwas an, manchmal sprach sie mit sich selbst. Aus dem Hühnerstall trug sie gewöhnlich Eier in den Taschen. Sie vergaß es immer wieder (hocikedy), dass sie sie dort hineingegeben hatte, setzte sich auf Öregapas Stockerl und zerdrückte sie.

- Ich bin ein altes Mantrala, - begann sie zu lachen, - alle Arbeit Öregapas ist mir an die Hand gewachsen.

Dann heiratete Ilontants Belinko und wir alle machten uns zur Hochzeit auf.

Unsere Mama sagte, dass er eine sehr bloß gute Frau gefunden habe, sie war sie angeblich mit Belinko in Mraziarni besuchen und sofort hat sie ihr gefallen. Auch in die Konditorei sind sie zusammen gegangen. Jirka humpelt ein bisschen, aber das ist fast nicht zu sehen. Und unser Belinko trägt schon eine französische Krücke und es ist überhaupt nicht zu sehen, dass er kranke Beinchen hat, weinte sie.

- Und was für schöne Zähne diese Jirka hat! – lobte die Ostrauerin unsere Mama.

Und Ilontant und Mihály bácsi hatten plötzlich auf dem Hof einen alten LKW mit einem kleinen Anhänger. Sie nannten ihn „Kačena”.

Sie ließen in Magyarbéli Dessert für die Hohzeit backen, die in Ostrava ǀ Ostrau stattfinden sollte.

- Du wirst sehen, Ilon, wie softy diese Mehlspeisen sein werden!

Jeden Tag kam Ilontant zu uns und mit unserer Mama änderten sie die Anzahl und die Arten.

- Ilon, von diesen Schokoschnitten wird es, scheint mir, zu viel geben! – sagte unsere Mama.

- Was wäre dann, es können nicht überall Nüsse sein!

Sie zankten sich immer.

- Ilon, ich kümmere mich nicht, du bist die Hochzeitsmutter, entscheide selbst. Ich habe schon um Belinkos Hochzeitstorte gefeilscht (zajednať) und damit kannst du rechnen, schließlich, was geht mich das an! (čo ma je do toho)

Als die Mehlspeisen fertig waren, holten sie Mihálybácsi und Ilontant. Die Mehlspeisen waren in Schachteln für Margarine aufgeschichtet, mit dünnem Fettpapier bedeckt. Vorsichtig legten sie sie in den Anhänger des Autos, es regnet ja nicht, und Ilontant setzte sich zu ihnen, damit sie sie in den Kurven mit dem eigenen Körper rettet, und bewege dich heim nach Bernolakovo!

Im Fahrerhaus saß neben Mihály unsere Mama. Sie klatschte ein bisschen mit Mihály, dass es Ilon mit diesen Hochzeitsvorbereitungen übertreibt, auch dass Belinko eine gute Frau gefunden hat, aber als sie aus dem Auto ausstiegen, war plötzlich Ilontant nicht auf dem Anhänger. Sie hatten sie samt der Mehlspeisen irgendwo auf der Fahrt verloren.

Sie gingen sie suchen, und sie saß vor Bernolakovo im Straßengraben zwischen Cremeschnitten (kremeš) und Dobostorten und fluchte auf Ungarisch.

- Hast du wenigsten die Kuchenstücke probiert, Ilon? – lachte Mihály bácsi.

Am Vorabend der Hochzeit brachte unsere Mama eine schöne Stockwerktorte.

- Schau her (Helle), sagte sie, die singt!

- Das ist eine wirkliche Schönheit, leg sie draußen ab, damit sie nicht zerschmilzt, - ging um die Torte Julčatant und es war sichtbar, wie gern sie von der Torte gekostet hätte, nur wusste sie nicht, wo man sie unauffällig anfangen könnte.

Und wirklich, auf der Torte waren alle möglichen Verzierungen und Röschen, sie war wie gemalt.

Schließlich fuhren wir nach Ostrava ǀ Ostrau. Wir standen auf dem Tscheklier (čeklíská) Bahnhof, die Menschen, die zur Arbeit fuhren, schauten uns an, als ob wir vom Himmel gefallen seien oder zu mindest zu ihm fuhren. Die Reisetaschen und Schachteln mit allen möglichen bunten (šujtáška) und Spagaten eingeschnürt hatten kein Anfang und kein Ende. (nemali konce-kraja) Alle meine Tanten waren Schleife und (krezel) selbst. Beži ging am Bahnhof verloren und alle suchten sie. Schließlich im letzten Moment lief irgendeine Nasse aus der Toilette. Meine Mama hatte angeblich eine schlecht gemachte Frisur und jammerte, dass sie die Friseuse (sfixlovala). Aber mich schnitt auf einem Brunnen sitzend einen Tag vor Belinkos Hochzeit Katka.

- Kurz?

- Burschenschnitt!

Sie schnitt und schnitt, ging um mich herum und verbesserte hier und da diese Frisur, bis ich aussah wie nach Typhus und auf dem Kopf hatte ich an einigen Stellen Glatze. Unsere Mama schlug uns beide mit dem Fetzen (vyšvácať), und als ich vor ihr, die so wütend war, Richtung Hof lief, trampelte ich direkt in diese Hochzeitstorte. Plötzlich sah diese Hochzeitstorte aus, als ob irgendein Bär in sie getreten wäre.

Mama brach in Weinen aus und den ganzen Abend machten wir aus dieser Torte Rumkugeln.

- Schweine! Schweinische Schweine, - jammerte sie und machte Rumkugeln.

Katka hilft ihr und hinter ihrem Rücken grinste sie mir zu.

Und jetzt musste ich ihren ältlichen (obstarožný), mindestens hundert Jahre alten Hut haben und ich sah mit ihm wie Janko Hraško aus.

Katka frisierte sich ihre Haare zu einem Dutt (drdol) und sah unter uns wie irgendeine Schauspielerin mit einer ziemlich lächerlichen Begleitung aus.

Julča staubte ständig ihre Burschen ab (opašovať),  Páli und Mihály schlugen sich auf die Nase und die Frauen gafften sie an.

Zum Glück kam gleich der Zug, denn wir hätten sicher alle vor der Abfahrt aus Bernolakovo gestritten, und wären schließlich zu dieser Hochzeit Belinos nicht gefahren. Schon in Ivanka bot uns allen Ilon Schnitzel an, denn die Reise wird lang sein.

- Ilon, essen werden wir erst, wenn wir umsteigen, hinter Bratislava, - warnte sie unsere Mama, aber die beratene Ilon begann auch den Ivankern, die zur Arbeit fuhren, anzubieten, und auch ganz fremden Leuten im Zug, dass sie doch  den Sohn Belinko vermählt, nach Ostrava ǀ Ostrau heiratet, bitte schön, nehmen Sie sich!

Das gefiel Julčatant nicht.

- Schließlich bringen wir in dieses Ostrava ǀ Ostrau nichts, - ging sie zu Ilontant durch den Wagon und schaute auf die Leute, die ihr gratulierten und sich ein Stück Fleisch oder Mehlspeise nehmen wollten.

Auf dem Hauptbahnhof in Bratislava ǀ Pressburg sind wir fast in den falschen Zug gestiegen und haben Mihály verloren. Er wollte sich stehend am Ausschank (na stojáka čapáka) etwas genehmigen und eine rauchen, aber wir rannten mit diesen Schachteln von Bahnsteig zu Bahnsteig und konnten   unsere nicht finden. Ilontant hinkte, denn bei dem Unfall mit dem LKW hatte sie sich das Steißbein gestoßen, meine Mama rief alle zusammen und der Wind wehte mir diesen hässlichen Hut fort. Die langhaarige und schöne Katka rannte nach ihm und alle auf dem Hauptbahnhof konnten an ihr  ihre Augen weiden. (mohli na nej oči nechať).

Gerade als Mihály den Schaum vom zweiten Bier wegbließ, setzte sich der Zug in Bewegung. Vom Fenster aus sahen wir ihn und wir alle schrien ihm nach. Er rannte auch mit diesem Bier los und erwischte den Zug. Das trank er dann im Zug aus.

Wir setzten uns in ein Abteil mit Julčatants Burschen, zu uns drängten sich auch Bežkas Laci und Páli, Ilontants Eva lackierte Katka die Nägel.

- Fuj, du hast sie mir besudelt!

- Soll ich sie dir nicht auch schneiden? – lachte Katka.

Ilontant rannte mit den Schachteln und einem Korb voller Essen den Zug hinauf und hinunter und bot das Essen nach allen Seiten an, nehmen Sie sich, Belinko, mein Sohn, heiratet, er ist mit einer Lähmung geboren, aber schließlich hat er studiert und hat auch einen Diplom und in Ostrava ǀ Ostrau hat er eine gute Frau, Jirka, gefunden. Die Leute lachten über uns und wir stopften uns voll, als wenn wir niemals gegessen hätten, die Männer spülten das Essen mit mächtigen Schlucken unseres Roséeweines hinunter. Manchmal nahmen sich auch die Frauen,  tranken uns auch die Kondukteure und Schaffner oder eigentlich Conductors, sind wir doch alle Asenbåhner, lachte Mihály und taumelte  mit der Flasche durch den Waggon, immer wieder bot er den Reisenden einen Schluck an. Plötzlich war im Zug nach Ostrava ǀ Ostrau so ein Lärm und Geschrei, alles bewegte sich unruhig, sprang auf, sang vor sich hin, nur so ein Klatschen. Alle vier Schwestern sangen und ich stand im Gang | Gangerl und wollte eine dritten Stimme zu ihnen singen. Katka trällerte im Abteil mit unseren Cousins, aber etwas völlig anderes als die Eltern,  so schloss ich mich ihnen zur Abwechslung an.

An uns liefen Häuser vorbei, Bäume und alle möglichen Bäche und Flüsschen, bei den Häusern waren Gärten und in diesen Gärten waren Katzen und Hunde und Hühner (kurence). Die Leute, die zustiegen, schauten wie Verstörte, was da für eine Gruppe fuhr, aber Ilon erklärte jedem, dass wir Asenbåhner seien und ihr Belinko krank geboren wurde, dann hatte er so ein Maschinerl und es sah mit ihm so aus, dass aus ihm nichts wird, aber plötzlich hat er auch einen Diplom, ja er geht heiraten, Belinko fand ein Braut, Jirka, die weiße Zähne  wie Perlen hat.

Und dann nahmen dieselben Leute im anderen Abteil Katka wahr und um sie herum Janko, Rudo, Štefan, den armen Teufel Laci, der so gerne lachte, obgleich er nicht wusste, worum es ging, und seinen Bruder, diesen Schläger Páli, der später in den Häfen zu sitzen kam, denn er gab einem Kieberer eine Watschen, aber sie dachten sich auch, das dachten sie bestimmt, dass da irgendeine schöne noch unbekannte Schauspielerin mit ihrer Herrensuite reist. Katka blinzelte mit den Augen und frisierte ihre Haare und Ilontants Eva öffnete auf dem Gang das Fenster und trocknete sich im Wind diese schlecht lakierten Nägel und unsere Mama schrie, dass uns die Funken in die Augen fliegen, und die Lokomotive rauchte und in den Kurven pfiff sie, es pochten die Schwellen und die (švelere), und wir hatten fettige Schnuten von dem ganzen Essen, das wir gegessen hatten. Bežkas Páli bácsi schlief schon und Mihály rüttelte ihn, dass er nichts aushält, und Julča zählte die Mehlspeisen in den Schachteln, ob sie genug sein werden, und ich beschaute mich in allen Glasfenstern in diesem formlosen (neforemný) Hut, und weil ich auch diesen rosaroten Wein (ružové vínčisko) trank (hrknúť si), begann ich mir immer mehr zu gefallen. Julčatant stritt sich ständig mit Bežka, wer von ihnen klüger ist, und Bežka sagte ihr:

- Wir sind, damit du es weißt, alle klug! Wir hatten daheim nur ein Buch, aber wir lasen es alle auch zehnmal. Du brauchst mir auch nicht böse zu sein, weißt du? Alle sind zu etwas gut.

Und dann lüftete die gekränkte Julčatant mit der Ilontant ständig und unsere Mama sagte, lüftet nicht, es ist hier Durchzug, die Kinder bekommen Gerstenkörner, aber sie lüften mit all dem Hochzeitskuchen, denn sie sind verschwitzt.

Vor Ostrava ǀ Ostrau sangen wir Öregapa in den Himmel „Fließe Wasser fließe” und dann begrüßten uns schon Belinko, Jirka und ihre Eltern und alle hatten schrecklich weiße Zähne, dass wir uns nur über ihre Zähne wunderten.

Übersetzung ©StephanTeichgräber

 

[1] (ungarisch) Großvater

[2] (slowakisch) Papa, Vati

[3] Rote Armee, scheinbar die ukrainische

Author

Veronika Šikulová

Veronika Šikulová (P

 

Translator

Stephan-Immanuel Teichgräber (kurz)

Literaturwissenschaftler und Übersetz

 
Öregapa