KALE TOPANKY

Publikation Daten

Verlag: Dokumentationsstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur
ISBN:
ISSN:
Publikationsdatum: 25. März 2020
Ausgabe: 1. Ausgabe
Vorrätig: YES
E-Mail:
Land: Slovakia

Víťo Staviarsky

Kale topanky

 

 

                                      Kale topanky

                                      parne šňurkenca

                                      sar me len na urava

                                      pre zabava na džava

 

 

 

                 Schwarze Schuhe
                 mit weißen Schnürsenkeln
                 wenn ich sie nicht anziehe
                 gehe ich zu keinem Mulatschag

 

 

 

                                         Volkslied der Roma

 

 

 

 

 

 

 

1

 

Ferdy Sojka sollte sich kein Geld weder vom Stinkenden noch vom Wasserpferd leihen. Er hätte seine Ruhe haben können. Er kaufte alle möglichen Pullover, Trikos, Windjacken, Sportschuhe und Hemden von Betrügern, die danach wegfuhren. Sie sagten ihm, dass das ein gutes Geschäft sei, dreihundert Prozent Gewinn oder noch mehr, er ließ sich verlocken, aber er machte einen Fehler, später kam er darauf. In den Pappschachteln war oben gute Ware und darunter war alles schlecht. Auf dem Flohmarkt gelang es ihm nur wenig davon zu verkaufen. Er sagte voraus, dass er binnen kurzem als Bettler endet und hinten auf den Tischen alte Staubsauger verkaufen wird. Einige verkaufen dort auch Papageien, Fleischwölfe, Luftgewehre, alle möglichen Maschinchen, von denen nicht einmal Gott weiß, wozu sie gut sind. Die Ukrainer boten dort auch schon Frauen an, aber es kam die Polizei und sie mussten mit einem Stempel im Pass nach Hause gehen, dass sie niemals mehr wiederkommen.

Lakatos, hatte einen schönen Stand neben Ferdy, er hatte schöne Sachen aus Ungarn, aber er gab sie nicht so billig her wie die Vietnamesen, die nur hinten hockten, dass sie nicht einmal zu sehen waren, soviel Sachen hatten sie, Jeans und Trainingshosen, alle möglichen Mikinis und Brillen. Lakatos riet Ferdy richtig, dass er diesen Trash nicht kaufen soll. Auch ich habe ihm das gesagt, aber Ferdy hat nicht gehört. Nicht einmal auf den eigenen Vater hätte er gehört, so stolz war er! Und ein schwerer Freier! Immer ein sauberes Hemd, schwarze Lederjacke und gute Jeans. Und solche láčho[1] Parfüme?! Nicht wie Stinkender, der hat Frauenperfüme! Ist das möglich, dass sich ein Kerl wie eine Frau parfümiert? Lieber stehe ich vier Schritte von ihm entfernt und halte mir heimlich die Nase zu, ich tue so, als ob ich gähne, damit ich nicht abtrünnig werde. Ferdy hat noch einen Ford Sierra Jahrgang `95, weißlich, auch wenn er den Blinker mit Klebestreifen angeklebt hat. Und es machte ihm noch ein Gádža mit dem Schlüssel eine Schramme in voller Länge.

Auch Stinkender hatte ihm im Guten gesagt, dass das ein Risikokšeft sei.  Wasserpferd, der einen großen Kopf hat und kurze Beine, telefonierte gerade. Von früh bis nachts telefoniert er. Er schläft auch noch mit dem Handy in der Hand. Er spricht nicht einmal mit Ihnen. Hat er Zeit? Wenn er telefoniert?

„Hunderttausend? Das sind große Fänge, Ferdy! Aber wenn du denkst…“ sagte Stinkender.

 Pinďo  stand hinten beim Auto mit den Händen in den Taschen und tat sich wichtig. Und dabei machte er es manchmal mit Ferdy gemeinsam. Sie fuhren in einem alten škoda. Jahrmärkte, Feiern für den Namenspatron eines Ortes, Kirchweihen und Ausstellungen. Sie kauften eine Pistole für zehn Kronen, aber verkauften sie für neunzig. Püppchen, die ihnen die Augen öffneten, für hundertfünfzig. Aber für dreißig gekauft! Zweimal war ich mit ihnen, aber sie wollten mich nicht nehmen, denn am Abend tranken sie und liefen Frauen hinterher. Sie hatten damals viel Geld. Aber sie kauften sich einen Stand auf dem Flohmarkt und begannen mit Textilien, das wird besser sein. War es auch. Aber nur ein Jahr. Danach ging alles den Bach hinunter. Alle begannen bei den Vietnamesen zu kaufen. Sodass Pinďo schon keine Perspektive mehr sah. Er fragte fortwährend: „Hat das eine Perspektive?“ Er ging über den Flohmarkt und regte sich auf, dass so ein Stand für einen reicht. Und damals nutzten das die Kerle, boten ihm ein Kšeft an und Pinďo nahm es an. Ferdy wollte nicht mit ihnen in das Kšeft einsteigen, denn Stinkender und Wasserpferde sind Mafiosi. Auch in den Knast könnte er für sie kommen. Als sie ihm vorschlugen, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen, schickte er sie in die Votze.

Dann hatte er nur mehr einen Monat, dass Geld zurückzuzahlen, aber die Sommerjahrmärkte brachten ihm nichts. Humenné ist ein schlechter Platz, in Michalovce war Regen, in Bardejov liefen Zöllner, sodass er erst am Sonntag öffnen konnte, aber es ging der Wind. Über die Woche, solange ich für ihn auf dem Flohmarkt verkaufte, ging Ferdy durch die Dörfer, er ließ auf dem Gemeindeamt durch das Radio verkünden, dass er Trainingshosen, Strümpfe, Schuhe und warme Windjacken verkauft. Jedoch war der Erlös einmal tausend Kronen, ein anderes Mal fünfhundert, manchmal verdiente er nicht einmal das Benzin. Der Gadžo ist knickerig. Er läuft allein in Trainingshosen und Strümpfen von der Geburt bis zum Tod. Alles scheint ihm teuer, er erinnert sich noch an die Preise zur Zeit der Kommunisten. Und obwohl Ferdy fast zum Einkaufpreis verkaufte, schimpften sie ihn auch so, dass er ein Dieb sei. So wollte er schon nichts den Gadžo verkaufen.

Einmal haben wir auf dem Flohmarkt am Freitag zu gemacht, denn der Erlös waren dreihundert Kronen, lieber gingen wir auf den Markt nach Hanušovce. Doch waren dort mehr Standeln als Menschen, lauter Sozialempfänger, Unterstützte und alle möglichen Dögöschen[2], die am Büfett trinken werden, bis sie umfallen, aber außer Schnaps kaufen sie nichts, obwohl sie so aussehen, als ob sie aus einer Höhle direkt zum Ausschank gekommen sind. Ferdy sah gleich, dass es das Beste ist fortzugehen.

Als wir schon später im Auto saßen und nach Kaschau zurückkehrten, blätterte ich aus Langeweile im Terminkalender, welche Daten Ferdy für die Märkte eingetragen hat, ob ich dort zufällig etwas finde.

„Welchen haben wir heute?“ fragte ich Ferdy.

„Den vierten September.“

„Krompachy, Jahrmarkt… Freitag, Samstag…“

„Krompachy ist in einer Woche, elfter, zwölfter,“ verbesserte mich Ferdy.

„Aber du hast hier vierten, fünften… na, weiß nicht. Haben sie wahrscheinlich geändert.“

Und Ferdy riss plötzlich jäh das Lenkrad herum, dass ihm die Reifen quietschten. Die Autos, die ihm entgegen kamen, hupten und blinkten, er konnte ihnen kaum ausweichen.

„Hej, was ist das?” schrie ich erschreckt. Aber Ferdy lachte und sagte mir, wenn jetzt Krompachy dran ist, dann müssen wir dahin. Sodass eigentlich ich daran schuld bin, was weiter passierte.

 

 

 

[1] romanes „gut“

[2] Degeš

 
 

degeš(is) m., degeškiňa f., degeša pl. (maď. degö zdechlina) člověk, který nedodržuje pravidla rituální čistoty (žuže Roma), jí "nečisté" druhy masy, neumí se chovat podle tradičních kulturních pravidel. Označení degeš patří k nejhorším nadávkám.

   
       

 

Autor

Víťo Staviarsky

Studierte Produktion an der Mittleren

 

Übersetzer

Stephan-Immanuel Teichgräber (kurz)

Literaturwissenschaftler und Übersetz

 
Kale topanky