Streeruwitz, Marlene

Marlene Streeruwitz ist eine österreichische Schriftstellerin und Regisseurin. Sie lebt in Wien und in Berlin.

Leben

Sie studierte Slawistik und Kunstgeschichte in Wien. Seit 1992 werden ihre Theaterstücke an zahlreichen Bühnen aufgeführt. 1996 erschien ihr erster Roman, Verführungen., für den sie unter anderem mit dem Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet wurde.

In schneller Folge sind seither Romane, Theaterstücke, Novellen und theoretische Schriften erschienen. Die feministisch orientierte Streeruwitz gilt als eine der politisch engagiertesten deutschsprachigen Gegenwartsautorinnen. Mit ungewöhnlicher Schärfe kommentierte sie die politischen Ereignisse in Österreich (ÖVP/FPÖ Koalition) im Jahr 2000. Im März 2004 lehnte Marlene Streeruwitz den Badener Kulturpreis ab, da er ihr von Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) überreicht hätte werden sollen. In einem Interview mit der Berliner Wochenzeitung Jungle World sagt sie dazu:

„Ich habe starke Vorbehalte gegen die Außenministerin in ihrer Amtsfunktion. Ich erinnere an Genua, wo sie sich über die Künstler und Künstlerinnen der österreichischen Volxtheaterkarawane verächtlich und denunziatorisch geäußert hat.“

Marlene Streeruwitz wurde 2002 mit dem Walter-Hasenclever-Literaturpreis ausgezeichnet.

Im November 2006 wehrt sich die österreichische Schriftstellerin öffentlich gegen die Inszenierung des neuen Stückes von Elfriede Jelinek, „Ulrike Maria Stuart“, im Hamburger Thalia Theater. In einer Szene des Stückes wird Streeruwitz in der Inszenierung von Nicolas Stemann als sprechende Vagina dargestellt. In einer Ausgabe des Spiegels kritisiert Streeruwitz, dass das Thalia Theater weiterhin das Stück in ungeänderter Form zur Aufführung bringt. „Ich will als handelndes und denkendes Subjekt nicht auf ein sprechendes Geschlechtsorgan reduziert werden.“, beklagt Streeruwitz im „Spiegel“. Dass es sich dabei um eine Satire handle, will Streeruwitz nicht gelten lassen: „Deutschsprachiger Humor war immer ein Mittel der Verächtlichmachung.“

Poetik

Marlene Streeruwitz hat ihre Poetik vor allem in den Tübinger und Frankfurter Vorlesungen (s. Literaturliste) umrissen, mischt sich aber auch immer wieder in Essays, die entweder gedruckt erscheinen oder auch nur auf ihrer Website veröffentlicht werden, in tagesaktuelle Diskussionen ein und markiert dort nicht nur politische, sondern auch ästhetische Standpunkte, die bei ihr fließend ineinander übergehen. Ihre Werke verraten Einflüsse etwa durch das dekonstruktive Denken Roland Barthes, z.B. in den häufigen Anspielungen der Figurennamen (Helene, Margarethe) auf ihren eigenen. Streeruwitz provoziert damit bewusst eine biographistisch deutende, psychologisierende Lesehaltung, um sie gleichzeitig ad absurdum zu führen. Ihre Theorie einer genuin weiblichen Sprache, die im Patriarchat nur als Leerstelle zu denken und immer nur ex negativo formulierbar ist, verweist auf die negative Dialektik Theodor W. Adornos. Laut eigener Aussage war ihr literarisches Schlüsselerlebnis die Lektüre von William Faulkners Roman Schall und Wahn, einem Hauptwerk der amerikanischen Moderne.

Zu einzelnen Werken

Verführungen. 3. Folge. Frauenjahre.

In ihrem ersten Roman Verführungen. 3. Folge. Frauenjahre. beschreibt Streeruwitz den Alltag der Protagonistin Helene, die von ihrem Mann, einem Mathematikdozenten, für dessen Sekretärin sitzengelassen wurde. Sie kümmert sich seitdem allein um ihre gemeinsamen zwei Kinder und wohnt weiterhin Tür an Tür mit der Schwiegermutter. Doch dann tritt Henryk, ein Hammerklavierspieler, in Helenes Leben, das ihr vorher so trostlos erschien, dass sie sich am liebsten, mit beiden Kindern unter dem Arm, von einer Brücke hätte stürzen mögen. Durch Henryk ändert sich allerdings wenig. Reinhard Baumgart schreibt in der Zeit über das Buch:

„ Der schmucklos wilde Wortlaut, in dem diese sieben, acht Wiener Frauenmonate sich ereignen, verweist auf nichts dahinter, nichts darüber und nicht darunter. Er ist im schönsten, strengsten Sinn selbstverständlich, und das bedeutet eben auch: spröd und voller Rätsel.“

Nachwelt.

Ihr zweiter Roman Nachwelt. ging aus dem Versuch hervor, eine Biographie Anna Mahlers zu verfassen. Nachwelt. schildert das Unmögliche dieses Unterfangens: Margarethe - wieder ein auf den Vornamen der Autorin anspielender Name - ist ohne ihren Lebensgefährten in die USA gereist, um für eine Biographie über die Bildhauerin Anna Mahler, Tochter Alma Mahler-Werfels und Gustav Mahlers, zu recherchieren. Amerika und Wien stellen in dem Roman die Pole da, um die nicht nur das Leben Anna Mahlers gekreist hat, sondern die auch die Koordinaten für die Geschichte Margarethes bilden. Die amerikanische Ostküste, die für soviele Intellektuelle und Künstler aus Deutschland zum Exil während der Naziherrschaft wurde, wird zum Gegenentwurf Österreichs, das sich nach Meinung der Autorin noch immer nicht ausreichend mit seiner austrofaschistischen Vergangenheit auseinandergesetzt hat.

Partygirl.

Der Roman Partygirl. geht auf Edgar Allan Poes Der Untergang des Hauses Usher zurück: In umgekehrter Chronologie erzählt Streeruwitz die inzestuöse Liebesgeschichte der Geschwister Madeleine (wieder eine Anspielung auf den Namen Marlene) und Roderick; patriarchalische Logik und Kausalitäten schlägt Streeruwitz durch den Kunstgriff, die Geschichte von hinten nach vorne zu erzählen, ein Schnippchen. Sie erreicht dadurch einen dem Brecht'schen epischen Theater ähnlichen Verfremdungseffekt, der nicht auf Spannung auf den Ausgang der Handlung setzt, sondern die Konzentration auf die Ereignisse an sich ermöglicht. Den rückläufigen Erzählmodus bildet Streeruwitz gleich auf der zweiten Seite in Form einer mise-en-abyme ab: Im Inneren des Waschsalons, in dem Madeleine beschäftigt ist, ist der Namensschriftzug des Salons an der Fensterscheibe nur von hinten nach vorne zu lesen: "latsyrc renaelC" (S. 9). Damit ist auch das Anliegen der Autorin umrissen, die Geschichte nicht in einer beschreibenden Außenperspektive, sondern aus der Innenperspektive der Heldin selbst, in völliger Subjektivität zu beleuchten.

Jessica, 30.

Der Roman Jessica, 30. deutet schon im Titel eine für die Poetik von Marlene Streeruwitz entscheidende Neuerung an: Nicht mehr der die Sätze zerstückelnde Punkt ist hier omnipräsent, sondern das Komma: Die drei Kapitel des Romans bestehen jeweils aus einem einzigen Satz, dessen kontinuierlicher Bewusstseinsstrom sich an den Kommata der Assoziation der Protagonistin Jessica bricht. Auch für diese Gestaltungsweise findet Streeruwitz gleich zu Beginn eine Entsprechung auf der Handlungsebene, denn Jessica spricht beim atemlosen Joggen zu sich selbst: "... Alles wird gut, ich muss nur die Praterhauptallee hinauf- und hinunterrennen und dann ist wieder alles gut".

Entfernung.

In ihrem letzten Roman Entfernung.sind es wiederum zwei Pole, in die der Plot eingespannt ist, nämlich Globalisierung und Terrorismus: Der Leser erlebt in Echtzeit – angelehnt an die zur Entstehungszeit des Romans ausgestrahlte Echtzeitfernsehserie 24 – Selma Brechtholds Reise in das globalisierte London, wo sie in die Terroranschläge vom 7. Juli 2005 gerät. Der Roman erhielt die bisher bösartigsten und gehässigsten Kritiken im Vergleich zu den anderen Texten von Marlene Streeruwitz.

Werke

Verführungen. 3. Folge., Frauenjahre (1996)

Sein. Und Schein. Und Erscheinen., Tübinger Poetikvorlesungen (1997)

Können. Mögen. Dürfen. Sollen. Wollen. Müssen. Lassen., Frankfurter Poetikvorlesungen (1998)

Lisa's Liebe., Roman in drei Folgen (1997)

Nachwelt., Roman (1999)

Waikiki Beach. Und andere Orte., Die Theaterstücke (1999)

Majakowskiring., Erzählung (2000)

Partygirl., Roman (2002)

Jessica, 30. Roman (2004)

Morire in Levitate., Novelle (2004)

Gegen die tägliche Beleidigung., Vorlesungen (2004)

Entfernung., Roman (2006). ISBN 3-10-074432-2

Wie bleibe ich Feministin. Die Streeruwitz-Methode. Essay (2008)

Siehe auch

Personaldaten

Frau Streeruwitz, Marlene
Ort: Wien und Berlin
Tätigkeit:
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E-Mail:
Geburtsdatum: 1950-06-28
Geburtsort:
Todesdatum:
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