(Intellektueller) Nationalismus in der Essayistik

· Projektbeschreibung allgemein:

Die Dissertationsarbeit zum Thema Der slowakische Essay als Beispiel der Meinungsbildung in kleinen Kulturen wird seit September 2003 als eines der repräsentativen Fallbeispiele im Rahmen der Forschergruppe Konzeptualisierung und Status kleiner Kulturen an der Universität Regensburg bearbeitet. Zum Ausgangspunkt wurde dabei die These, dass die kulturelle Kleinheit ein relativer Parameter sei und erst in der Interaktion mit anderen Kulturen erfahr- und benennbar wird.

Im Zentrum dieser Arbeit steht konkret die Erforschung des kulturellen (Kleinheits)Diskurses, so wie er durch die slowakische Essayistik gestaltet wird bzw. die Frage, wie sich vor diesem Hintergrund das Selbstbild der slowakischen als einer kleinen Kultur rekonstruieren lässt.

· Thema des Vortrages: Die „slowakischen Fragezeichen“ in der modernen slowakischen Essayistik nach 1989 – der slowakische intellektuelle Nationalismus am Beispiel des essayistischen Werkes von Vladimír Mináč (1922 – 1996)

In dem speziellen Terminus „slowakische Frage“ konzentrieren sich vor allem „nationale und staatsrechtliche Probleme, aber auch ökonomische, soziale und kulturelle Probleme, nicht zu vergessen das Verhältnis der Slowaken zu ihren Nachbarn, vor allem zu den Tschechen und Ungarn, aber auch zu den Russen und Deutschen sowie die außenpolitische Orientierung, d.h. die geopolitischen Zusammenhänge (…) sie ist die Existenzfrage der slowakischen nationalen Identität“.

Während sie noch am Anfang und im Laufe des 20. Jahrhunderts überwiegend in Bezug auf die staatsrechtlichen Aspekte der eventuellen Existenz eines souveränen slowakischen Staates diskutiert wurde (was etwas pathetisch auch als „Kampf um den eigenen Staat“ bezeichnet wird), gewann sie im Zuge der politischen Umwälzungen von 1989 und vor allem nach der Entstehung der souveränen slowakischen Republik 1993 eine neue Qualität. Dies offenbart die vom slowakischen Literaturwissenschaftler Peter Zajac beschriebene Tatsache, dass „die slowakische Frage“ durch (mehrere) „slowakische Fragezeichen“ ersetzt wurde. So werden die „slowakischen Fragezeichen“ zum stellvertretenden Begriff für die Entstehung neuer Themenbereiche, die bis dahin entweder nicht aktuell waren oder (großenteils) schlichtweg tabuisiert wurden. Zumindest stichwortartig seien sie hier angeführt: Konflikt um die tragende Idee des Staates (Prinzip des Nationalstaates contra Bürgergesellschaft), die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, die von dem gerade für kleine Kulturen bzw. für neu entstandene Staaten und ihre nationalen Gesellschaften so typischen „Leiden am Historismus“ gekennzeichnet ist , die Reflexion der eigenen Position in Europa (Selbst- und Fremdwahrnehmung), der Charakter der slowakischen Kultur gemessen am Grad seiner Originalität, usw.

Anders gesagt: erst die Summe dieser Fragenzeichen macht die eigentliche „slowakische Frage“ aus, die in dieser neuen Auslegung in der slowakischen Presse zuweilen auch als Kampf um den „Charakter des Staates“ beschrieben wird und ist als solche aktueller denn je.

Vor diesem Hintergrund kann man grundsätzlich zwischen zwei sich allmählich profilierenden Bevölkerungsgruppen unterscheiden: diejenigen, die der Transformation gegenüber aufgeschlossen waren, in ihr eine positive Herausforderung sahen und sich folglich als „winner“ empfanden und jenen, die ihr skeptisch bis ablehnend gegenüber standen – die sog. „losers“, deren Überforderung mit einer passiven Ergebenheit gekoppelt war, wobei sich ihr Bezug zur Transformation analog auch auf alle anderen Themenbereiche übertragen lässt:

„An einem Pol befanden sich: die Unterstützung einer radikalen Wirtschaftsreform, das Bekenntnis zu den Prinzipien der parlamentarischen Demokratie, das Einverständnis mit der föderativen Staatsform und die Ablehnung der staatlichen Souveränität der Slowakei, und am anderen Pol eben jene Einstellungen mit den entgegen gesetzten Vorzeichen.“

Diese Polarisierung ging (als Folge der Auflösung des ideologischen Wertekanons) mit dem Bedarf einher, neue Orientierungslinien zu finden und hatte eine Zweiteilung des Nationaldiskurses zu Folge, bei der man zwischen der Linie mit nationalistischem und jener mit zivilgesellschaftlichem Ansatz unterscheiden kann.

Vladimír Mináč war indes Vorreiter des erstgenannten Zugangs, der sich auch als intellektueller Nationalismus bezeichnen lässt und im Allgemeinen durch den eindeutig apologetischen Umgang mit dem Slowakentum zum Ausdruck kommt.

Siehe auch:

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Die Dokumentationsstelle besteht seit 2000

Sie stellt ost- und mitteleuropäische Autoren vor, sammelt Primär- und Sekundärliteratur

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2006-10-09 15:00:00
 

End

2006-10-09 17:00:00
 

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Museumszimmer der ÖAW